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Qualität in den entscheidenden Momenten

TV-Zeitschriften und überregionale Zeitungen garnierten die Vorschauen auf das Spiel zwischen der SG Flensburg-Handewitt und dem SC Magdeburg überwiegend mit einem Motiv: Stephan Kretzschmar in Aktion. Ein Fehlgriff, wie sich zeigen sollte. Der einzige Pop-Star des Handballs war in Flensburg nur Mitläufer. Dass der SCM in der Campushalle in eine recht deutliche 29:35 (11:15)-Schlappe schlitterte, lag auch daran, dass das Ereignis Kretzschmar nicht stattfand — vereitelt von Jan Holpert, wieder einmal.
Nicht nur mit seinen Paraden gegen den schrillen Linksaußen führte der SG-Torhüter die Serie seiner Glanztaten in dieser Saison fort. Der 36-Jährige kaufte den Gästen die unmöglichsten Bälle ab, 24 insgesamt. „Magdeburg hat reichlich Chancen gehabt, aber Jan Holpert war der Matchwinner“, meinte Schiedsrichter Uwe Reichl. Während auch die Mitspieler bei der Beurteilung von Holperts Leistung um Superlative rangen, übte der Vielgelobte gewohnte Nüchternheit: „Meisterhaft ist so eine Leistung erst, wenn man auch Meister geworden ist.“

Kent-Harry Andersson hatte Bedenken.

Dazu müsste der SC Magdeburg einen weiteren Beitrag leisten: Als Sieger am 20. April (20 Uhr/DSF) gegen den THW Kiel, der noch zwei Punkte vor der SG liegt. „Da werden mehr Magdeburger als heute gut spielen“, versprach SCM-Trainer Alfred Gislason Besserung. SG-Manager Thorsten Storm fand die Gäste gar nicht so übel: „Die hätten hier auch gewinnen können. In einer Woche kommt noch die Bördelandhalle dazu. Magdeburg kann Kiel auf jeden Fall schlagen.“ Auch Kent-Harry Andersson registrierte erleichtert, dass der Tabellendritte die Saison trotz Chancenlosigkeit in der Meisterschaft keineswegs abgehakt hat. „Die wollten unbedingt gewinnen, das hat man gespürt. Ich hatte schon einige Bedenken in der ersten Viertelstunde“, meinte der SG-Trainer.
Zum Schluss, nach Überwindung einer Schwächeperiode im zweiten Durchgang, zahlte sich wohl aus, dass die Flensburger drei Wochen Spielpause hatten. „Wir haben extrem hart gearbeitet. Viel gelaufen, viel Krafttraining, fast wie ein Aufbautraining im Sommer“, berichtete Lars Christiansen, der das Trauma Johannes Bitter endgültig überwunden hat. Vor 19 Monaten, beim denkwürdigen 19:30, hatte der SG-Linksaußen keine Chance gegen den Magdeburger Torhüter. Am Mittwoch schoss er Bitter „durch die Hosenträger“, wie er wollte. „Das Spiel von damals ist lange weg. Ich denke vielleicht nicht so viel wie andere. Das ist nicht immer ein Vorteil, in diesem Fall aber schon“, sagte der Däne. Die SG sieht er für das Final Four am Wochenende gut gerüstet. „Wir haben einander gefunden in diesen drei Wochen. Das ist das Entscheidende, was sich hier in den letzten Jahren entwickelt hat: Aus einem Tief kommen wir immer wieder zurück“, meinte Christiansen mit Blick auf das bittere Aus in der Champions League, die Niederlage in Großwallstadt und das schwache Spiel beim Vorletzten Pfullingen.

Glenn Solberg führte gut Regie.

Für Christiansens These von der wiedergewonnenen Stabilität spricht, dass die SG ihre Qualitäten gegen Magdeburg genau zum passenden Zeitpunkt ausspielte. Nahmen einzelne Akteure  eine schöpferische Pause, sprangen andere ein — wie Marcin Lijewski und Blazenko Lackovic etwa, die phasenweise abgemeldet waren und dann plötzlich mit Toren und tollen Anspielen auf den überragenden Andrej Klimovets glänzten.
Am Rande ist die Entspannung im SG-Zoff mit Magdeburgs Joel Abati zu notieren. Zwar wurde der Rückraumspieler vom Publikum gnadenlos ausgepfiffen, auf dem Spielfeld bewahrten aber alle die Fassung. Wozu Schiedsrichter Uwe Reichl, der mit Uwe Prang souverän pfiff, beitrug: „Als Abati und Boldsen gleich bei der ersten Aktion zusammenprallten, habe ich sie zum Handschlag zitiert.“ Die beiden gehorchten artig, freilich nicht ohne sanften Druck. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie sonst beide rausfliegen“, erklärte Reichl schmunzelnd.