60 Minuten pure Emotion, ein explosiver Schlussakt und ein Resultat, das nur Gewinner zurückließ — das 45. Derby der besten Handball-Mannschaften in Schleswig-Holstein war wie ein perfekt inszeniertes Drama. Das 26:26 (11:10) zwischen dem THW Kiel und der SG Flensburg-Handewitt erhält die Spannung im Kampf um die Meisterschale, der THW-Manager Uwe Schwenker am Saisonende keine große Reise prophezeit: „Ich will Magdeburg und den anderen nicht zu nahe treten, aber die Schale wird in Schleswig-Holstein bleiben.“
Er wird nicht viel Widerspruch ernten. Beide Teams bewiesen ihre Titelreife in einem Spiel mit ungeheurer Intensität, indem der Kampf überwog, das jedoch auch manch spielerisch brillanten Moment bot. Bemerkenswert, wie beide dem Druck standhielten, wenn der jeweils andere im Vorteil schien. Erstaunlich, wie souverän beide die finale Eskalation zwischen Stefan Lövgren und Johnny Jensen, in der sich alle Emotionen entluden, später verarbeiteten. Kein böses Blut, kein Nachkarten (siehe Artikel unten), sondern ein professioneller Händedruck zwischen den Streithähnen.
Die Kieler durften für sich als Plus buchen, dass mit dem Unentschieden endlich die zweieinhalb Jahre währende Niederlagenserie (sieben am Stück) gegen die SG unterbrochen wurde. Die Flensburger marschierten mit breiter Brust aus der Ostseehalle, weil sie wieder nicht verloren hatten. „Ganz klar, für uns ist der Punkt wertvoller, weil man zu Hause gewinnen muss“, meinte Joachim Boldsen.
Chancen zum Optimum hatten beide. Die Kieler schienen beim 16:14 nach 38 Minuten auf dem besseren Weg, die Flensburger beim 23:20 sieben Minuten vor Schluss. „Ein bisschen enttäuscht bin ich schon, dass wir diese drei Tore nicht halten konnten“, meinte Kent-Harry Andersson. THW-Trainer Noka Serdarusic trauerte ebenfalls der verpassten Gelegenheit zum Nachsetzen und einigen „100-prozentigen Chancen“ hinterher, gab aber auch zu: „Ich wusste nicht wie lange wir dieses Tempo mit sechs Mann durchhalten würden. Flensburg hatte mehr Möglichkeiten, neue Spieler zu bringen.“ Sorgen bereitete ihm auch Spielmacher Lövgren, der wegen einer Zahnoperation und Nachblutungen bis nachts um vier Uhr kaum geschlafen hatte. „Unter diesen Umständen bin ich zufrieden mit dem Punkt.“
Der THW startete besser, führte 2:0, nicht zuletzt, weil sich Matthias Andersson im THW-Tor gleich mit einem gehaltenen Siebenmeter gegen Lars Christiansen einführte und zunächst auch die spektakuläreren Paraden zeigte als sein Gegenüber Jan Holpert. Der Flensburger Keeper nahm die Herausforderung an, zog bald gleich und so entwickelte sich die Konkurrenz der Torhüter zum Mittelpunkt dieses Derbys. „Zwei Super-Abwehrreihen haben ihnen die Arbeit erleichtert, aber Andersson und Holpert waren die besten Akteure“, sagte Serdarusic.
Angesichts dieser Bollwerke und der Absicherung dahinter wird die hohe Fehlerquote beider Angriffsreihen verständlich. Vor allem die klassischen Shooter auf den Halbpositionen im Rückraum hatten einen schweren Stand. Am erfolgreichsten agierte hier noch Christian Zeitz mit sieben Treffern bei allerdings auch sechs Fehlwürfen. Der seit der WM strohblonde Linkshänder hatte in den Schlusssekunden maßgeblichen Anteil daran, dass der THW das Remis rettete. Dass er sein Gehirn doch nicht „am Eingang der Halle abgibt“, wie der Altinternationale Sepp Wunderlich kürzlich gemutmaßt hatte, bewies der 24-Jährige mit dem überlegten Pass, der Kreisläufer Markus Ahlm das 26:26 ermöglichte.