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Matte Magdeburger - furiose Flensburger

Mit dem 39:32 (17:13)-Erfolg  in der Bördelandhalle hat sich die SG Flensburg-Handewitt im Titelrennen in der Handball-Bundesliga eindrucksvoll zurückgemeldet.
Die Stimmung war bestens - ganz im Gegensatz zur körperlicher Verfassung. Die Spuren des letzten Abends waren noch sichtbar, als sich gestern eine Meute Flensburger Handballer auf dem Kurfürstendamm in Berlin auf Shopping-Tour begaben. Die Augen nur schmal geöffnet, der Kopf brummte, die Knochen schmerzten. Folgen des historischen Sturmlaufs auf die Festung Bördelandhalle und der anschließenden Siegesfeier. "Das muss anständig begossen werden", hatte der überragenden Lars Christiansen (15/7) unmittelbar  nach dem grandiosen 39:32 (17:13) beim SC Magdeburg angekündigt. Und das taten sie dann auch in der angemieteten Pizzeria "Pandegli Angeli" in Berlin-Charlottenburg.
Auch Kent-Harry Andersson machte nicht den frischesten Eindruck am Tag eins nach dem "Befreiungsschlag". Woran weniger der Alkohol, sondern vielmehr der Schlafmangel Schuld hatte. Bereits in aller Herrgottsfrühe wollte sich der SG-Trainer das Video von einem "der besten Spiele seit ich bei der SG bin" anschauen. Und zwar gleich zweimal. "Das will ich richtig genießen. Nicht nur 60 Minuten", strahlte der Schwede trotz des tristen November-Wetters.
Bester Laune war auch der Geschäftsführer des Magdeburger Hotels "Herrenkrug". "Da werden wir im kommenden Jahr wieder übernachten", versprach ihm Thorsten Storm, der nach Niederlagen immer das Hotel wechselt. "Gott sei dank haben wir gewonnen. Nach den ganzen Pleite in der Bördelandhalle sind uns die Hotels in Magdeburg langsam ausgegangen", so der SG-Manager.

Johnny Jensen: "HSV-Pleite vergessen"

Ob die Unterkunft der Hauptgrund für den starken Auftritt des deutschen Meisters in der "Hölle Ost" war, blieb ungewiss? Oder waren es die vom Wirtschaftsbeirat ausgelobten 100 Euro pro Tor (bei Sieg), die den Flensburgern Beine und Arme machten? Eher nicht. Dann schon eher die Botschaft des erkrankten Spielmachers Christian Berge, der in Flensburg, auf dem Sofa stehend und vor dem TV-Schirm mitfiebernd, in der Halbzeitpause eine SMS an Manager Storm sendete mit dem Inhalt: "Das macht Spaß euch zuzugucken. Weiter so, Jungs."
Dieser Befehl des abwesenden Regisseurs wurde ausgeführt. Die hochgelobten "Gladiatoren" kamen sich dabei vor, als säßen sie im falschen Film. Matte Magdeburger gegen furiose Flensburger. Eine Heimpleite mit sieben Toren? "Das hat es das letzte Mal vor dem Krieg gegeben", meinte einer der 7500 Zuschauer, die in der Schlussphase sogar den Gästen anerkennend applaudierten. So musste dann auch Star-Linksaußen Stefan Kretzschmar kleinlaut gestehen: "Wir hatten keine Chance."
Ob ein starker Jan Holpert ("Wir haben den Gegner fast 60 Minuten im Griff") im Tor, ein in Weltklasseform aufspielender Lars Christiansen ("Das war einer der wichtigsten Siege der letzten Jahre") oder die von Glenn Solberg und Johnny Jensen ("Die HSV-Pleite ist vergessen") hervorragend organisierte 6:0-Deckung - der Flensburger Express dampfte aus allen Kesseln. Weil neben Neuzugang Blazenko Lackovic auch Marcin Lijewski sich seiner Topform nähert und im Rückraum wichtige Akzente setzte. "Wenn Marcin weiter so konzentriert spielt, hat er einen zufriedenen Trainer", sagte Andersson, dessen Team stets kühlen Kopf bewahrte und sich auch  nicht von der Tätlichkeit Joel Abatis an Joachim Boldsen aus der Bahn warfen ließ. "Das war ein glasklare rote Karte", meinte DSF-Co-Kommentator Bob Hanning hinterher zum üblen Faustschlag des Franzosens, der zudem mit seinem vergebenen Siebenmeter beim Stande von 23:25 (45.) die allerletzte Chance der Gastgeber auf ein Happyend ungenutzt ließ.
39:32 - Feierstimmung an der Förde, Bestürzung an der Börde. Nach diesem Triumph können die Flensburger Handballer den nächsten Aufgaben selbstbewusst und gelassen entgegenblicken. Am Wochenende fliegt eine kleine "Reisegruppe" - Andersson verzichtet im Hinblick auf den anstehenden World Cup in Schweden auf Boldsen, Christiansen, Stryger und Lijewski - zum bedeutungslosen Champions League-Spiel nach Metkovic. Eine lösbare Aufgabe. Das gilt auch für das Pokal-Los TuS N-Lübbecke. "Man hätte leichtere, aber auch schwere Gegner ziehen können", meinte Kent-Harry Andersson. Mit einem Lächeln und Augenzwinkern fügte er hinzu: "Wer in Magdeburg mit sieben Toren gewinnt, hat, so glaube ich,  auch in Nettelstedt eine Chance."

Drei Fragen an Andersson

39:32 in Magdeburg gewonnen. Haben Sie das je in ihrer kühnsten träumen erwartet?
Andersson: Nein. Es ist unheimlich schwer, in Magdeburg zu bestehen. Aber wir haben uns intensiv vorbereitet und eines der besten Spiele abgeliefert seit ich Trainer in Flensburg bin. Das sind zwei ganz schöne Punkte.

Wie kam es dazu?
Andersson: Ich habe immer gesagt: Die Mannschaft braucht Zeit. Jeppesen und jetzt auch Berge kann man nicht von heute auf morgen ersetzen. Aber Lackovic und Solberg kommen immer mehr. Vor dem Spiel haben mir viele gesagt: Du musst 3:2:1 decken. Genau wie Essen. Sonst hast du keine Chancen. Und was war? Unsere 6:0 hat super geklappt. Das zeigt, das man an sich und seine Stärken glauben muss. Wir sind wieder da.

Was bedeutet das nun für die Meisterschaft?
Andersson: Das war ein ganz großes Ausrufezeichen. Nun ist erst mal 14 Tage Pause. Leider. Denn gerade jetzt sind wir gut unterwegs. Wichtig ist aber: Wir sind wieder da.