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33:20 - ein überraschend leichter Aufgalopp

War die SG Flensburg-Handewitt so stark oder die Hausherren von GWD Minden-Hannover so schwach? Eine Frage, die sich nach dem deutlichen 33:20 (12:9) des Deutschen Meisters viele der 3078 Zuschauer in der TUI-Arena auf dem hannoverschen Expo Plaza stellten. SG-Trainer Kent-Harry Andersson war es im Grunde egal. Er strahlte wie Honigkuchen: "Es ist doch toll, auswärts bei einer Mannschaft mit 13 Toren zu gewinnen, die ein Mittelfeldplatz anpeilt."
Mühe, den richtigen Rhythmus zu finden, hatte die SG nur in den ersten 20 Minuten. Vielleicht lag es daran, dass Trompeter Nils Weißenberg nicht mit war. Zwar kündigte ein Plakat am Glasfenster der rund 10000 Zuschauer fassenden Arena eine baldige Aufführung der Oper "Aida" an, doch der "Triumphmarsch" ertönte diesmal nicht für die SG. Dennoch spürte die Andersson-Truppe bald, kein typisches Auswärtsspiel zu bestreiten. Heiße Atmosphäre - Fehlanzeige! Obwohl die Schlachtenbummler aus dem Norden ihre Trommeln vergessen hatten, war Hannover schnell in SG-Hand.

Christian Berge hofft auf ein baldiges Comeback.

"Oh, Ohlander!" Ein Fluch, der zunächst öfter über die Lippen der SG-Handballer kam. Der schwedische Keeper Fredrik Ohlander vereitelte einige gute Chancen des Favoriten. Erst nach knapp vier Minuten erzielte Lars Christiansen mit einem Siebenmeter-Nachwurf das erste Saisontor des stärksten Angriffs der letzten Serie. Es dauerte gar über sechs Minuten, ehe Johnny Jensen das erste lupenreine Feldtor markierte. Vom Kreis; denn die medizinische Abteilung hatte Joachim Boldsen ("Ich dachte, ich würde mit einem halben Bein spielen") wieder soweit hergestellt, dass der Däne auf halblinks die Alternativen im Rückraum bereicherte.
Die Sicherheit gewann die SG aus der Abwehr. Der norwegische Mittelblock der 6:0-Abwehr stach. Vor allem Johnny Jensen wirkte wie verwandelt. "Am Mittwoch war das kein richtiger Johnny Jensen", schmunzelte Kent-Harry Andersson. "Er war viel zu passiv, zu müde wegen seiner längeren Trainings-Pause". Als "Mann des Tages" entpuppte sich aber Glenn Solberg. In der Abwehr der kongeniale Partner seines Landsmanns, zog er im Angriff als Regisseur die Strippen. "Ganz klar", analysierte Kent-Harry Andersson kurz, aber präzise, "er war der Chef auf dem Spielfeld." Plötzlich war es ganz einfach. "Wir haben das Tempo etwas erhöht - und schon hatte Minden Probleme", staunte Glenn Solberg. Als dann auch Jan Holpert damit anfing, sich redlich um den Titel "bester Keeper des Tages" zu bemühen, setzte sich die SG auf 12:8 ab.
Ein entscheidendes Gespräch ereignete sich in der Pause. Kaupo Palmar hatte im rechten Rückraum eine Viertelstunde gehemmt gespielt, ehe ihn Marcin Lijewski vorerst erlöste. Der Pole - angesichts seiner geringen Spielpraxis sehr ordentlich - setzte mit einem sensationellen Treffer und zwei herrlichen Anspielen auf Kreisläufer Andrej Klimovets wichtige Akzente. Doch Kent-Harry Andersson glaubte an diesem Abend weiterhin an Kaupo Palmar. "Du musst keine Angst haben", sprach er dem Neuzugang Mut zu. Und der bedankte sich gleich nach der Halbzeit mit drei Treffern zum 16:10 (36.).

Gut gebrüllt, Blazenko!

Eine Metamorphose, die der ganzen Mannschaft Flügel verlieh.  Über 19:10 (41.), 25:13 (48.) stürmte die Meister-Truppe bis auf 30:15 (52.) davon. Das Erstaunlichste: Die Effizienz. Erst in der 54. Minute parierte Fredrik Ohlander den ersten Ball in der zweiten Hälfte. Als größter Verfechter der Abgebrühtheit vor dem Gehäuse entpuppte sich Sören Stryger, der in Hannover vom Hallensprecher den süddeutschen Namen "Streiger" verpasst bekam. Seine Siebenmeter landeten mit erstaunlicher Sicherheit im Netz. Der - ganz Kapitän - freute sich weniger über seine Husarenstreiche, als vielmehr über die Leistungen von Glenn Solberg und Kaupo Palmar. "Schön, dass die Neuen so eingeschlagen haben."
Im SG-Lager gab es in der zweiten Hälfte nur einen bangen Augenblick, und zwar in der 48. Minute. Marcin Lijewski war nach einem zweiten Schlag gegen die Wade gerade zur Bank gehumpelt und ließ sich behandeln, als auch Linkshänder-Kollege Kaupo Palmar angeschlagen auf dem Spielfeld lag. Unruhig rannte SG-Geschäftsführer Thorsten Storm auf und ab. "Bitte, nicht noch mehr Verletzungen", schien der Manager zu denken. Es ging gut. Während Kaupo Palmar weiter spielte, schlenderte Marcin Lijewski nach der Pause wieder lächelnd durch die Katakomben. In diesem Moment setzte Kent-Harry Andersson den Schlusspunkt der schönen Nachrichten: "Es gibt Hoffnungen, dass Christian Berge diese Woche wieder spielen kann."