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Furiose Hälfte zwei

14.04.2012 -TOYOTA Bundesliga: 28:25 – die beste Fuchsjagd der Welt

Die SG Flensburg-Handewitt marschiert weiter. Auch die Füchse Berlin mussten in der Campushalle eine Niederlage einstecken. Die Gastgeber gewannen nach einer turbulenten Partie und einer furiosen finalen Fuchsjagd am Ende mit 28:25 (12:17). Damit verbesserte sich die SG erstmals in dieser Serie auf den zweiten Rang der TOYOTA Bundesliga. „Platz zwei, drei oder vier – das sind für mich alles nur Nummern", sagte eine strahlender SG-Trainer Ljubomir Vranjes. „Wir haben bis zum Saisonende noch viel Arbeit vor uns." Bereits am Mittwoch folgt in Gummersbach die erste von sechs noch ausstehenden Bundesliga-Partien.

Schon eine halbe Stunde vor dem Anpfiff drängten sich die Fans dicht an dicht auf der Nordtribüne. Ein Indiz dafür, dass ein großes Spiel ins Haus stehen würde. Die Erwartungen sollten nicht enttäuscht werden. Nach dem Schlusspfiff fielen sich die SG-Helden jubelnd in die Arme, auf den Rängen klopften sich wildfremde Menschen auf die Schultern. Zum Abschluss der gemeinsamen Handball-Party kämpfte sich der überragende Schlussmann Mattias Andersson ans Megafon und gab von der Nordtribüne aus den Takt für die „Uffta" vor. Die „Hölle Nord" hatte ein denkwürdiges Spitzenspiel erlebt. Eines mit Happend. „Wir steuern auf ein tolles Saisonfinale zu", klatschte SG-Geschäftsführer Holger Kaiser in die Hände. „Die Mannschaft hat sich in allen Bereichen toll entwickelt."

Bis zu den Jubelarien mussten die Fans allerdings ein ausgeprägtes Wechselbad der Gefühle durchmachen. „Ich habe von meiner Mannschaft teilweise Gutes, teilweise weniger Gutes gesehen", drückte es Ljubomir Vranjes diplomatisch aus. Über weite Strecken hatte sich sein Team von den Berlinern den Schneid abkaufen lassen. Gerade im ersten Durchgang wirkte die Abwehr nicht aggressiv genug und stand den Füchse-Schützen Spalier. Bartlomiej Jaszka zog das Angriffsspiel cool auf, Sven-Sören Christophersen agierte als zuverlässiger Vollstrecker. Beim 4:9 (13.) hatte der Halblinke bereits zum fünften Mal eingelocht.

Die SG-Torhüter bekamen zunächst nichts zu fassen. Mattias Andersson hatte angefangen, zunächst aber ohne Glück. Sören Rasmussen versuchte es – ebenfalls ohne Erfolg. Sein Kollege kehrte zurück und erntete kurz darauf die ersten stehenden Ovationen. Ivan Nincevic scheiterte mit Siebenmeter und Nachwurf. Die Abwehr operierte nun wesentlich offensiver. „Ich war mit der Beinarbeit nicht zufrieden", erklärte Ljubomir Vranjes. „Danach haben alle die Füße wesentlich besser bewegt."

Ljubomir Vranjes: "Teils gut, teils weniger gut".


Die SG witterte etwas Morgenluft, verkürzte auf 7:9 und 9:11. Jeweils zur Stelle war Lars Kaufmann, der alle seine sieben Tore im ersten Durchgang erzielte. Allerdings war die Offensive der Hausherren zu sehr auf ihn fokussiert. Durch einige Nachlässigkeiten geriet die SG wieder deutlicher in Rückstand. Rechtsaußen Marcus Richwien erzielte mit einem strammen Rückraum-Wurf das 9:14 (24.). Kurz nach der Pause hieß es gar 12:19 (34.). Manch einer hatte zu diesem Zeitpunkt die SG bereits abgeschrieben.

Für viele überraschend: Nach einem kurzen Abstecher in den rechten Rückraum, als kurzfristige Ersatzlösung für den stark geforderten Tamás Mocsai, nahm Lars Kaufmann auf der Bank Platz. „Es sah vielleicht etwas merkwürdig aus, dass er nicht mehr spielte", lächelte Ljubomir Vranjes. „Auf dieser Position gibt es aber zwei Spieler, die mein Vertrauen haben." Petar Djordjic durfte nun auf halblinks ran. Die eindrucksvolle Fuchsjagd eröffnete allerdings ein anderer: Lasse Svan Hansen mit einem „lupenreinen“ Hattrick. Beim 15:19 keimte neue Hoffnung.

Als Vater des Erfolgs wurde zunehmend Mattias Andersson gefeiert. Er steigerte sich kontinuierlich hinter einer nun aufgeweckten 6:0-Abwehr mit offensiven Ansätzen. Binnen 60 Sekunden hielt der Schwede die Würfe von Alexander Petersson und Bartlomiej Jaszka mit seinen Händen fest. „Flensburg war nun sehr stark, und bei uns fehlte Torsten Laen, der sich verletzt hat", sagte ein ratloser Füchse-Coach Dagur Sigurdsson.

Emotional war diese Partie nicht zu toppen.

Aus dem Rückraum hämmerte Petar Djordjic. Er traf zum ersten 22:22-Ausgleich  und zur 24:23-Führung. Die „Hölle Nord" jubelte sich in Ekstase und war selbst Teil der Erfolgsstory. „Ohne die Halle hätten wir es nie geschafft", bedankte sich Ljubomir Vranjes bei den Zuschauern. Bei den Gästen hingegen zeigten nun auch die Routiniers Nerven. Iker Romero scheiterte beim Stand von 25:24 von der Siebenmeter-Linie. Es war die letzte Chance auf eine Wende. Mit dem 27:24 von Lasse Svan Hansen begannen die Feierlichkeiten.

„Dieser Sieg und die ganze Leidenschaft waren auch für einen Spieler, der gar nicht dabei gewesen ist", sagte Holger Kaiser. Er dachte an Namensvetter Holger Glandorf. Der Linkshänder ist am gestrigen Freitag an der entzündeten Ferse operiert worden. Am Montag erfolgt ein zweiter planmäßiger Eingriff. Wenn alles normal läuft, kann Holger Glandorf in zehn Tagen das Krankenhaus verlassen. „Die Saison ist für ihn definitiv beendet", teilte Holger Kaiser mit. Der SG-Geschäftsführer will zusammen mit dem HBL-Präsidium eine Neuordnung der medizinischen Betreuung bei der deutschen Nationalmannschaft einfordern.

Sicherer Schütze: Anders Eggert. Fotos: Nolte

 

SG Flensburg-Handewitt – Füchse Berlin  28:25 (12:17)
SG Flensburg-Handewitt: Andersson (21/3 Paraden), Rasmussen (8.-13.) – Karlsson, Eggert (4/3), Mogensen (5), Svan Hansen (5), Djordjic (4), Mocsai (1), Szilagyi, Kaufmann (7), Knudsen (2)
Füchse Berlin: Heinevetter (14 Paraden), Stochl (bei einem 7m) – Löffler, Laen, Spoljaric, Jaszka (6/1), Nincevic (3), Petersson (1), Christophersen (7), Richwien (2), Iker Romero (2/1), Pevnov (2), Bult (2/2)
Schiedsrichter: Immel/Klein (Tönisvorst/Ratingen); Zeitstrafen: 10:12 Minuten (Karlsson 2, Eggert 2, Mocsai 2, Kaufmann 2, Knudsen 2 – Nincevic 4, Laen 2, Richwien 2, Petersson 2, Christophersen 2); Siebenmeter: 3/3:7/4 (Nincevic, Bult und Romero scheitern an Andersson); Zuschauer: 6251
Spielverlauf: 1:0 (1.), 2:1 (4.), 3:2 (5.), 3:6 (9.), 4:9 (13.), 7:9 (17.), 8:10 (19.), 9:11 (20.), 9:14 (24.), 10:15 (25.), 12:16 (30.) – 12:19 (34.), 15:19 (36.), 17:20 (38.), 18:22 (43.), 22:22 (49.), 24:23 (52.), 24:24 (54.), 27:24 (57.), 27:25 (59.)

Von: ki