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Ukraine und Co.

14.03.2012 -Mission Europapokal: Weite Reisen in den Osten

Die SG Flensburg-Handewitt trifft im Viertelfinale des europäischen Pokalsieger-Wettbewerbs auf die ukrainische Mannschaft HC Motor Zaporozhye. Der Name klingt bekannt, ist er aber doch nicht. Denn der Verein ist erst drei Jahre alt. Der Lokalrivale ZTR indes besitzt als Rekordmeister der Ukraine großes Renommier. Auf ihn traf die SG im Herbst 2008 in der Champions League. Es war die fünfte von sechs Reisen in einen der Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion.

Zaporozhye präsentierte sich vor über drei Jahren als graue Industriestadt am Dnjepr. Im kalten und mit 1800 Zuschauer spärlich gefüllten Yunost-Sportpalast führten die Gastgeber, die das Hinspiel mit 20:38 verloren hatten, mehrfach mit zwei Toren. Kurz vor Schluss egalisierte gar Sergiy Onufryienko zum 26:26. Schließlich war es Lars Christiansen, der mit seinem 49. Königsklassen-Treffer in jener Saison den Sieg rettete.

Die ersten Ost-Erfahrungen sammelte die SG bereits 1998. Es ging zu ZSKA Moskau. Im Halbfinale des EHF-Cups hatten beide Kontrahenten ähnliche Probleme: Die etatmäßigen Spielmacher fielen aus. Bei der SG Roger Kjendalen, bei den Russen der zukünftige SG-Akteur Igor Lavrov. Die Gäste kompensierten das Handicap besser und gewannen mit 30:24. Der Trip in Moskau fand mit einer „La ola“ auf dem Roten Platz einen entsprechenden Abschluss.

Im Februar 2002 stellte die SG einen Rekord auf. Die 2277 Flugkilometer nach Voronezh an der Wolga bedeuteten die weiteste Europapokal-Reise in der Vereinsgeschichte und wurde bis heute nur von einer Stippvisite nach Israel übertroffen. Die Tour hatte einige bizarre Überraschungen parat. Zwei Polizei-Wagen begleiteten den SG-Tross auf der rund 15 Kilometer langen Strecke vom Airport zum Hotel. Die Unterkunft war eher spärlich, erinnerte an eine Zollabfertigung und kannte kein Frühstück. Sportlich hätte es fast zwei blaue Augen gegeben. Der damalige Jung-Star Alexei Rastvortsev erzielte das 28:22 für den Lokalmatador. Die SG rettete ein Remis und machte schließlich daheim den Einzug ins Halbfinale im Europacup der Pokalsieger perfekt. Wird es heute, zehn Jahre später, eine Parallele geben?

2008 war Thomas Mogensen schon mal in Zaporozhye.

Im Herbst 2005 gastierte die SG bei Granitas Kaunas. Bei den Litauern, die ihrerseits mit dem Schiff nach Deutschland gekommen waren, gab es einen klaren 38:26-Erfolg. Doch anfangs war es für den Bundesligisten gar nicht rundgelaufen. Ex-SG-Linkshänder Marcin Lijewski hatte eine Erklärung für den Fehlstart: „Es war in der Halle so kalt, dass ich kein Gefühl in den Fingern hatte.“ Erst nach 15 Minuten verbesserte sich die Durchblutung. Knifflig war die Situation am Ziel-Flughafen Vilnius gewesen. Wegen des Besuchs des damaligen US-Verteidigungsministers Donald Rumsfeld herrschte höchste „Sicherheits-Stufe“. Die Sicherheitskräfte bestanden darauf, dass aus allen eingeführten Handbällen die Luft herausgelassen wird – um zu prüfen, ob nicht ganz andere Dinge in den Wurfutensilien lagern würden.

Im Herbst 2006 kassierte die SG ihre einzige Niederlage gegen einen Klub aus der ehemaligen Sowjetunion. Beim russischen Meister Medwedi Tschechow setzte es eine bedeutungslose 27:33-Niederlage, an der ausgeprägte Heimschiedsrichter ihren Anteil hatten. Ein bizarrer Kontrast blieb haften: Inmitten des von grauen Plattenbauten zugestellten Tschechows funkeln zwei Glaspaläste: Das Hotel Olimpskiy und die ebenso benannte Halle, die zahlreiche Luxus-Logen beherbergt.

Erst vor rund einem Jahr war die SG in Sankt Petersburg und landete einen 31:25-Erfolg. Beim Champions-League Spiel im Jubilejny-Sportkomplex war auch der Fan-Club „Die Wikinger" vor Ort. Die Mitglieder verteilten sich großzügig in einem Block. In der 7000 Zuschauer fassenden Arena verloren sich nur einige hundert Handball-Interessierte. Die heimischen Fans hatten sich eine besondere Choreographie ausgedacht. Anders Eggert schmunzelte: „Da sind sie schon so wenige, und dann verstecken sie sich auch noch hinter ihren Pappen“. Man darf gespannt sein, was die SG in der nächsten Woche bei ihrem siebten Abstecher in den „fernen" Osten erleben wird.

Foto: Ingrid Anderson-Jensen
Von: ki