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Finale mit Happyend

28.08.2013 -DKB Handball-Bundesliga: 25:24 – mit Herz und Leidenschaft

Was war das für eine Spannung! Die SG Flensburg-Handewitt hat das erste Heimspiel gegen Frisch Auf Göppingen auf dem letzten Drücker und auch etwas glücklich gewonnen. Zur Begeisterung der Flens-Arena markierte Steffen Weinhold sechs Sekunden vor dem Abpfiff das erlösende 25:24 (12:13). „Die Mannschaft zeigte Herz und Charakter, kämpfte bis zum Schluss", sagte ein erleichterter SG-Trainer Ljubomir Vranjes. „Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei den Zuschauern und bei Sören Rasmussen." Der dänische Torwart war erst in der letzten Viertelstunde zum Einsatz gekommen und bot eine überragende Leistung.

Lukas Blohme und Christopher Rudeck, die beiden U19-Nationalspieler der SG, hatten ihre bronzenen WM-Medaillen mit. Auf der Tribüne saß Bundestrainer Martin Heuberger. Es roch nach internationalen Meriten. Doch bis zu den Lorbeerkränzen dieser Saison ist es noch ein weiter Weg. Es gilt vorerst, gut aus den Startlöchern zu kommen. Und da tat sich die SG schwer. Die ersten fünf Minuten stand die Null, während die Göppinger Felix Lobedank und Momir Rnic die ersten Tore des Tages bejubelten. „Das war hektisch, das waren zu viele leichte Fehler, was nicht in Ordnung ist", sollte Ljubomir Vranjes später bemerken.

Dann aber ein erster Glanzauftritt von Holger Glandorf: ein lupenreiner Hattrick binnen 90 Sekunden. Es hieß 3:2 – und es war erstmals richtig Feuer unter dem Dach. Die SG agierte nun sicherer und baute den Vorsprung aus. Michael Knudsen schlüpfte am Kreis durch. 7:4! Thomas Mogensen zog aus dem Rückraum ab. 8:5! Konnte die SG die Partie frühzeitig kontrollieren? Nein, es fehlte die spielerische Konstanz. Auch etliche Paraden von Mattias Andersson konnten nicht verhindern, dass Göppingen wieder heranrückte. Ein Ballverlust, ein Gegenstoß – und Marcel Schiller lochte zum 10:10 ein. „Uns fehlt noch ein ganz Stück zu unserer normalen Form", haderte Ljubomir Vranjes. „Wir haben zu wenig Druck in Richtung Tor entfaltet."

Nach gut einer Viertelstunde besetzte Steffen Weinhold die Spielmacher-Position, Thomas Mogensen ging kurzfristig in den linken Rückraum und wechselte sich dort mit Olafur Gustafsson ab. Später übernahm Jim Gottfridsson kurzfristig das Zepter. Pech hatte Gäste-Linkshänder Felix Lobedank, der nach einem Zusammenprall längere Zeit auf dem Spielfeld behandelt werden musste. Mit Verdacht auf Gehirnblutung wurde er ins Krankenhaus gefahren. „Unsere Gedanken sind bei ihm", wünschte SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke gute Besserung.

Die SG hätte mit einer knappen Führung in die Pause gehen können. Matthias Andersson hielt, Lasse Svan marschierte, scheiterte aber an Primoz Prost. Die Ränge forderten Siebenmeter, die Schiedsrichter zeigten in die andere Richtung. Göppingen schaltete blitzschnell um, Tim Kneule keulte den Ball mit der Halbzeit-Sirene zum 12:13 in die Maschen. Nach der Halbzeit eine weitere kalte Dusche. Ein Wembley-Treffer von Manuel Späth! 12:14! Zumindest Anders Eggert blieb in dieser Phase cool. Ein Siebenmeter landete rechts oben im Netz, ein eleganter Dreher folgte. Der Ausgleich war aber leider nur eine Durchgangsstation.

Göppingen trumpfte stark auf. Im Angriff fehlte der SG in dieser Phase die Struktur, hinten zeigten sich am Kreis kurzfristig ein paar Lücken. Beim 14:17 parierte Mattias Andersson zwar einen Siebenmeter von Marcel Schiller, doch die Schwaben blieben im Ballbesitz. Momir Rnic stieg hoch und traf zum 14:18. „Wir sind sehr schlecht in die zweite Hälfte gekommen, Göppingen traf sogar in Unterzahl", ärgerte sich Ljubomir Vranjes. Er legte nun die grüne Karte auf den Tisch. Doch Besserung trat zunächst nicht ein: Göppingen hatte einen Lauf, der nächste Gegenstoß bedeutete das 14:20. Einziger Trost: Es waren ja noch 20 Minuten. Drasko Nenadic mischte nun mit. Und vor allem: Die „Hölle Nord" war da. Die Göppinger ließen etwas nach, die SG drehte auf. Der nächste lange Pass landete bei Thomas Mogensen, der trotz Bedrängnis zum 18:22 einwerfen konnte. Würde es noch einmal eng werden?

Stimmung in der Flens-Arena.

Die Zuschauer hofften und feuerten ihre Mannschaft an, die wieder besser in die Spur fand. Phänomenal bewegte sich Sören Rasmussen zwischen den Pfosten. Der Däne wehrte mehrere freie Bälle ab. Seine Einwechslung in der 43. Minute war Gold wert. Man spürte: Zehn Minuten vor Schluss wackelte der Gast kräftig, und die SG glaubte wieder an den Sieg. „Wir hatten etwas Glück, dass Göppingen zwei bis drei Mal leichte Fehler unterlief, die wir für Gegenstöße nutzen konnten", meinte Ljubomir Vranjes.
Zwei Mal fand Lasse Svan den Weg über Rechtsaußen. Nach dem Doppelschlag hieß es nur noch 22:23. Dann der Moment von Drasko Nenadic. 23:23! Und noch einmal Lasse Svan, der eine blitzschnelle Konter-Stafette abschloss. 24:23 – die „Hölle Nord" stand Kopf. Der erneute Ausgleich von Tim Kneule spitzte die Situation weiter zu. Es wurde hektisch, zerfahren, beide Teams hatten die Hand am Sieg, setzten aber nicht den entscheidenden Schlag. Sören Rasmussen parierte einen Siebenmeter gegen Marcel Schiller.

Anders Eggert war einmal mehr der beste Schütze.

In der letzten Minute hatte Göppingen den Ball. Ein technischer Fehler – und die SG durfte einen letzten Anlauf nehmen. Niemanden hielt es mehr auf seinen Platz. Sieben Sekunden vor Ultimo fasste sich Steffen Weinhold ein Herz. Der Ball zappelte im Netz und flog wenig später ziellos über die Platte. Die Zeit war abgelaufen, die Flens-Arena feierte eine Handball-Fiesta, die noch einmal kurz unterbrochen wurde. Göppingen durfte an der Mittellinie einen letzten Freiwurf ausführen, der allerdings keine Perspektiven hatte. Sören Rasmussen, der Held des Abends, fing den Ball mit beiden Händen. Nun durfte die Party wirklich steigen.

Ganz anders – verständlicher Weise – die Stimmung auf der anderen Seite. Die Schwaben waren drauf und dran gewesen, der SG nach über 20 Monaten wieder eine Bundesliga-Niederlage zuzufügen, standen am Ende aber mit leeren Händen da. „Wenn ich nicht mit Ljubo gut Freund wäre, würde ich alles sagen, was mich bedrückt", wich Frisch-Auf-Trainer Velimir Petkovic in der Pressekonferenz einem Statement nicht aus. „Was hier gelaufen ist, war eine Katastrophe – das waren unsere beiden Punkte. Vor der Saison hatte ich gesagt, dass Flensburg Meister werden wird. Das wünsche ich Ljubo auch vom Herzen, aber die beiden Zähler von heute hätten an uns gehen müssen."

Darauf reagierte Ljubomir Vranjes. „Ihr könnt allemal damit aufhören, von der Meisterschaft zu reden", so der Schwede. „Wer so spielt wie wir heute, ist gewiss kein Kandidat für den Titel." SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke bedankte sich abschließend beim Publikum für die Unterstützung und hatte frohe Kunde für die gesamte DKB Handball-Bundesliga: „Wir werden noch mehr solcher engen Spiele sehen. Die Liga ist leistungsmäßig enger zusammengerückt."

Steffen Weinhold markierte den Siegtreffer. Fotos: Ki.

SG Flensburg-Handewitt – FA Göppingen  25:24 (12:13)
SG Flensburg-Handewitt: Andersson (16 Paraden), Rasmussen (9/1 Paraden; ab 43.) – Karlsson, Nenadic (1), Eggert (7/5), Glandorf (4), Mogensen (4), Svan (4), Weinhold (2), Heinl, Gustafsson (1), Gottfridsson, Knudsen (2)
FA Göppingen: Prost (14 Paraden), Marinovic (1 Parade) – Kneule (6), Oprea, Schöne (4), Späth (4), Beljanski, Lobedank (1), Kraus (2), Rnic (4), Schiller (2/1), Pevnov (1), Thiede, Fontaine
Schiedsrichter: Hartmann/Schneider (Magdeburg/Barleben); Zeitstrafen: 4:12 Minuten (Mogensen 2, Gustafsson 2 – Kraus 2, Kneule 2, Beljanski 2, Pevnov 2, Fontaine 2, Petkovic 2); Siebenmeter: 5/5:3/1 (Schiller scheitert an Andersson und Rasmussen); Zuschauer: 4981
Spielverlauf: 0:2 (5.), 3:2 (7.), 4:4 (10.), 7:4 (13.), 8:5 (14.), 8:7 (18.), 9:7 (20.), 10:10 (24.), 12:11 (28.) – 12:14 (31.), 14:14 (33.), 14:20 (40.), 16:20 (42.), 17:22 (46.), 20:22 (49.), 20:23 (50.), 24:23 (54.), 24:24 (55.)

Von: ki