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VELUX EHF FINAL4

29.05.2014 -Ljubomir Vranjes: „Die Spieler sollen vom Titel träumen“

In zwei Tagen steigt das Halbfinale in Köln. Die SG Flensburg-Handewitt trifft am Samstag um 18 Uhr auf den ruhmreichen FC Barcelona. Im Vorfeld stellte sich SG-Trainer Ljubomir Vranjes dem offiziellen EHF-Interview.

Das Ticket nach Köln war in Skopje akut gefährdet. Wann war Ihnen klar, dass sich die SG für das VELUX EHF FINAL4 qualifiziert hatte?
Ljubomir Vranjes: Ich denke, nach so vielen Höhen und Tiefen erst in der allerletzten Sekunde. Skopje konnte mit dem letzten Wurf nicht mehr treffen, aber bis zu diesem Zeitpunkt mussten wir alle ganz schön zittern.

Wann ist die Anspannung von Ihnen abgefallen, nachdem die SG in den vergangenen jeweils teilweise hauchdünn im Viertelfinale gescheitert war?Ljubomir Vranjes: Anspannung? Gab es nicht, es war Freude pur nach dem Abpfiff. Und mit dem Schlusspfiff begann gleich unsere Lust auf mehr. Als ich später alleine im Hotelzimmer war, habe ich das ganze Spiel erst richtig realisiert – und mir Fragen gestellt, wie „Was wäre, wenn nicht...?“

Ist es für Sie eine besondere Ehre, der erste schwedische Trainer überhaupt bei einem VELUX EHF FINAL4-Turnier zu sein?
Ljubomir Vranjes: Ist das so? Darüber hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Dann ist das natürlich auch gut für Schweden. Aber auch in der Bundesliga bin ich momentan der einzige schwedische Trainer.

Waren Sie als Zuschauer schon einmal beim VELUX EHF FINAL4 gewesen?
Ljubomir Vranjes: Ja, ein gigantisches Event, ähnlich wie ein WM-Finale oder EM-Finale. Das ist noch ein Schritt weiter als das DHB-Pokal-Finalturnier, denn in Köln ist alles noch professioneller.

In Ihrem ersten Spiel überhaupt bei einem FINAL4 geht es gleich gegen Barcelona – eine Herkules-Aufgabe?
Ljubomir Vranjes: Das ist ein Spiel, wie jedes andere Spiel auch, mit 60 Minuten Spielzeit, einem Ball, zwei Schiedsrichtern, zwei Toren und zweimal 16 Spielern. Wir müssen alles andere ausblenden, wenn wir erfolgreich sein wollen und uns nur auf unsere Aufgabe konzentrieren. Aber wir wissen auch: Köln ist anders, dieses Turnier hat keiner unserer Spieler bisher erlebt, auch wenn viele von ihnen mit den Nationalmannschaften schon in diversen Finals gestanden haben. Ich mache mir aber keine Sorgen, dass meine Spieler abgelenkt werden, im Gegenteil. Ich habe ihnen gesagt, dass sie das Wochenende in Köln genießen sollen, dabei werde ich ihnen als Trainer helfen. Wir sind im vergleich mit den drei übrigen Teilnehmern doch ein kleiner Verein. Also sollen wir stolz sein, dass wir dabei sind und das Turnier mit unseren Fans genießen.

Das heißt, Sie sehen Ihre Mannschaft gegen Barcelona als klaren Außenseiter?
Ljubomir Vranjes: Auf jeden Fall. Barcelona ist der klare Favorit auf den Titel, und war das schon vor der Saison. Ich persönlich freue mich riesig auf das Duell. Wir sind der große Underdog in Köln. Unsere Erwartungen sind nicht so hoch, niemand erwartet Wunderdinge von uns. Diese Rolle gefällt uns.

Was die Größe der Trainer betrifft, wird es ein Duell auf Augenhöhe...
Ljubomir Vranjes (lacht): Ja, das kann man so sagen. Ich hatte schon öfter Kontakt mit Xavi Pascual, es wird ein spannendes Duell zwischen uns. Er hat einen kleinen Vorteil, was den Kader betrifft (lacht)....

Gerade wegen der Premiere der SG gab es nach dem Weiterkommen sehr viele Ticket-Anfragen für Köln aus Flensburg. Wie wichtig ist die Unterstützung der Fans?
Ljubomir Vranjes: Das Problem wird sein, unsere Fans in der riesigen Halle zu hören und wahrzunehmen. Aber auch Barcelona wird nicht so viele Fans mitbringen. Ich hoffe, dass die neutralen deutschen Zuschauer uns im Halbfinale unterstützen werden. Auch sehr viele Schweden werden nach Köln kommen, die uns sicher auch anfeuern werden.

Wie kann man Barcelona stoppen?
Ljubomir Vranjes: Es gibt zwei, drei Sachen, die wir 60 Minuten lang durchziehen müssen, um Barcelona zu stoppen. Das Problem: Haben wir einen Spieler unter Kontrolle, haben sie noch so viele andere Weltstars, die man nicht aufhalten kann. Da bin ich als Trainer gefordert, mir etwas auszudenken. Auch wenn ich persönlich mit der SG noch nie gegen Barcelona gespielt habe, habe ich schon viele Spiele auf Video analysiert.

Gehört zur Taktik auch, dass Ljubomir Vranjes wie gegen Velenje auf dem Spielberichtsbogen als Spieler auftaucht?
Ljubomir Vranjes: Man weiß nie, aber da müsste schon der schlimmste Fall eintreten, dass ich auflaufe. Gegen Velenje habe ich auch erst einmal meinen Co-Trainer vorgeschickt, und musste selbst nicht eingreifen. Da ich aber komplett mittrainiere, bin ich fit, falls es nötig sein sollte. Aber es ist nicht mein Ziel, in Köln auf dem Feld zu stehen.

Beim VELUX EHF FINAL4 stehen zwei Partien in 24 Stunden auf dem Programm – wie immens ist da die Belastung?
Ljubomir Vranjes: Vor allem aus mentaler Sicht extrem. Was mich betrifft, bin ich ein Kontrollfreak, und will natürlich auch schon auf alle potenziellen Gegner am Sonntag vorbereitet sein, denn eine komplette Vorbereitung in 24 Stunden geht nicht. Unser Vorteil ist: Kiel ist uns nicht unbekannt, wenn es dazu käme. Und mit Veszprem befasse ich mich derzeit auch intensiv parallel zu Barcelona.

Dürfen Ihre Spieler vom Champions-League-Titel träumen?
Ljubomir Vranjes: Ja natürlich, ich empfehle den Spielern sogar, davon zu träumen, und sich das Bild im Kopf einzuprägen, wie sie die Trophäe in Köln hochreißen. Aber zu sagen, dass wir den Titel gewinnen, ist nicht unsere Art. Das wäre arrogant den Gegnern gegenüber. Träumen und glauben ja, davon reden, nein!

Von: Björn Pazen