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23.08.2006 -Kämpfer, Koch und „Kameramann“

In loser Folge stellen wir die SG-Neuzugänge vor. Heute ist Ljubomir Vranjes an der Reihe.

Der kleinste Spieler der Bundesliga soll demnächst das Angriffsspiel der SG auf Touren bringen. Noch sind nicht alle Umzugsspuren im neuen Haus der Familie Vranjes beseitigt. Im Flur drei vollgepackte Kartons, in der Küche eine schwere Kiste voller Gläser, im Wohnzimmer noch strahlend weiße Wände. Aber zumindest der große Fernseher (samt schwedischen Kanälen) hat schon seinen Platz gefunden. „Das wird schon“, versichert Hausherr Ljubomir. „Bald schon wird hier ein echter Vranjes hängen“, deutet der Hobby-Fotograf auf eine noch schmucklose Wand, die demnächst ein großformatiges Poster zieren wird.
Flensburg– Vor wenigen Wochen hat sich der 32-jährige Neuzugang der SG Flensburg-Handewitt mit Ehefrau Maria und den Kindern William und Esther in Handewitt niedergelassen. Passenderweise in dem Haus, in dem zuvor sein Vorgänger auf der SG-Spielmacherposition, Glenn Solberg, gewohnt hat. „Ich dachte mir: Wenn ich schon von Glenn den Job auf dem Spielfeld erbe, dann kann ich ja auch gleich seine Hütte mit übernehmen“, witzelt der nur 1,66 m große Schwede.
Die Haus-Übergabe hat schon mal super geklappt, nun soll auch das Solberg’sche Werk beim Handball-Vizemeister fortgeführt werden. Wenngleich Vranjes lächelnd gesteht: „In der Abwehr werde ich wohl nicht in der Mitte decken.“ Seine Qualitäten hat der 153-fache schwedische Nationalspieler („Ich habe einen super Sprungwurf“), der 1999 Weltmeister und 2002 Europameister wurde, im Angriff. Klein, wendig und kämpferisch. Vranjes, der kleinste Rückraumspieler der Liga, ist vom Stil her aggressiver und torgefährlicher als sein Vorgänger, aber auch egoistischer. „Wir denken ähnlich“, sagt der Sohn zwei serbischer Gastarbeiter: „Unser Bestreben: Der Rhythmus der Mannschaft muss stimmen.“
Anpassungsschwierigkeiten wird der „Wunschspieler“ von Trainer Kent-Harry Andersson nicht haben. Die Philosophie der SG sei auch seine, sagt Vranjes. In Mannschaften wie der des vielfachen spanischen Meisters FC Barcelona, wo der einzelne Spieler wichtiger sei als das Team, oder unter autoritären Trainern wie Sead Hasanefendic könne er nicht spielen. „Wenn die Stimmung stimmt, stimmt auch meine Leistung.“
Die neue Nummer 17 der SG ist ein Spieler, der das Leben genießt. Sein Interesse an Sport außer Handball? Null. Seine Vorlieben: Familie, Fotografieren und Kochen. Im Hause Vranjes gibt es ein Ritual: Der „Chef“, seines Zeichens gelernter Koch und Barkeeper, bindet einmal pro Woche die Kochschürze um und tischt dann groß auf. Ein spanisches Fischgericht, dazu ein schöner Wein und später noch ein teurer Whisky – das muss sein. Vranjes: „Ich liebe gutes Essen und gute Getränke.“
Noch mehr interessiert ihn allerdings die Fotografie. Ob weite Landschaften in Schottland, kleine Insekten im Garten oder die Schatten eines Liebespaares – der 32-Jährige drückt mit großem Enthusiasmus auf den Auslöser seiner Digitalkamera. Und wenn er in ein paar Jahren die Handballschuhe an den Nagel hängen und nach Schweden zurückkehren wird, könnte er sich gut vorstellen, im Bildjournalismus zu arbeiten. Aber das ist noch Zukunftsmusik. Noch ist er es, der im Fokus der Sportfotografen steht, der das Motiv darstellt – vielleicht ja bald mit einem Pokal oder einer anderen Trophäe in der Hand.

Ein ausführliches Portrait von Ljubomir Vranjes lesen Sie im 96-seitigen SG-Magazin, das am 30. August zum ersten Heimspiel gegen Melsungen kostenlos Ihrer Zeitung beiliegt.

Von: Holger Petersen (sh:z)