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26.05.2007 -Johnny Jensen: Der „Beverly Hills“-Gott

„Kiel wird Meister.“ Daran gibt es für Johnny Jensen am vorletzten Spieltag der Handball-Bundesliga keinen Zweifel mehr. „Aber sie sollen diesen Titel in ihrer Halle feiern.“ Der Gedanke, dass der THW Kiel heute Nachmittag (14.15 Uhr, live im NDR Fernsehen) in seiner Campushalle die 13. Meisterschaft perfekt machen kann, lässt dem Kreisläufer der SG Flensburg-Handewitt keine Ruhe.
„Ich habe in dieser Saison so oft gegen Kiel verloren, damit muss jetzt Schluss sein“, meint der 35-Jährige, der vor den Leistungen des dezimierten THW-Kaders seinen Hut zieht. „Ich habe großen Respekt vor dieser Mannschaft.“
In Flensburg wird Jensen, der hier noch bis 2008 unter Vertrag steht, als „Handball-Gott“ gefeiert. „Als ich das zum ersten Mal hörte, habe ich es nicht verstanden“, sagt der Norweger, der zuvor für den VfL Bad Schwartau und den ThSV Eisenach gespielt hatte. „Und dann bin ich vor Verlegenheit ganz rot geworden. Das ist eine große Ehre.“
Gott in Flensburg, Buhmann im Rest der Republik – Jensen, der in seiner Heimatstadt Sandefjord fünf Jahre als Zimmermann arbeitete, hat sich an die Rolle des „bad boy“ längst gewöhnt. „Früher hat es mich nervös gemacht, wenn ich ausgepfiffen wurde. Heute ist es mir egal. Die Zuschauer haben bezahlt, also dürfen sie auch über mich schimpfen.“

Johnny Jensen mit seinen Kindern. Fotos: Tamo Schwarz

Privat ein ruhiger Typ, verwandelt sich der Hobby-Gärtner, sobald er die Astschere gegen den Handball tauscht. „Vor dem Spiel ziehe ich mir eine Maske über den Kopf und werde ein anderer Mensch.“ Hart und voller Emotionen – für den Sieg reibt sich der Vater von Filip (9) und Mille (5) stets völlig auf. „Ich hasse Niederlagen, auch im Training.“
In dieser Saison hat er bereits zwei besonders schmerzhafte einstecken müssen – beide in der Ostseehalle. Mit seiner Nationalmannschaft scheiterte er in der WM-Vorrunde an Dänemark und mit seinem Klub verlor er das Champions-League-Finale. „Ich habe nicht geglaubt, dass so viel Unglück möglich sein könnte“, meint Jensen, der seinem Image als „Raubein“ im Halbfinale des DHB-Pokals neue Nahrung gab. Da stieß er mit dem Kopf wie ein Stier in die Hüfte des Kielers Nikola Karabatic, der anschließend behandelt werden musste. „Keine Absicht“, beteuert Jensen. „Hätte ich ihn verletzten wollen, dann sicherlich nicht auf so dämliche Art und Weise.“
Gerade vor Karabatic hat er großen Respekt. „So einer fehlt uns.“ Der SG-Kroate Blazenko Lackovic sei zwar ein ähnlicher Typ, aber aufgrund zahlreicher Verletzungen in dieser Saison nicht in Schwung gekommen.
Seit vier Jahren wohnt Johnny Jensen mit seiner Frau Elisabeth und den Kindern in Handewitt, oder wie sein Trainer Kent-Harry Andersson den Flensburger Vorort nennt, in „Beverly Hills“. Hier zeigt Jensen, der später einmal als Trainer arbeiten möchte, seine weiche Seite. Anders als sein Kapitän Sören Stryger kann er passabel mit dem Staubsauger umgehen („Sören macht ihn nur an, damit sein Frau denkt, dass er saugt und setzt sich vor den Fernseher“), sein Champions-League-Hemd bügeln und Wischen. „Er ist ein guter Hausmann“, lobt Elisabeth, die noch Schwächen beim Aufstehen und in der Küche sieht. „Wenn er Kartoffeln kocht, dann wartet er so lange, bis das Wasser verdampft ist.“
Als Jensen noch in Bad Schwartau spielte, überraschte er seine Frau, eine gelernte Arzthelferin, einmal mit einem Haus voller Blumen. „Das kam bei meinen Kollegen nicht so gut an. Damit hatte ich die Preise verdorben“, meint der 158-fache Nationalspieler, der auch mit Snus hinter der Oberlippe herzlich lachen kann. Am Sonnabend wird er sich wieder eine Portion Oraltabak gönnen. Nach der Arbeit, nach dem fünften Derby dieser Saison. „Wir wollen ein Spiel gegen Kiel gewinnen und das wird dieses sein.“

Von: Wolf Paarmann