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29.05.2007 -Joachim Boldsen: Die Familie steht im Vordergrund

Er kämpft leidenschaftlich bis zur eigenen Erschöpfung und stößt dynamisch in die sich bietenden Lücken. Joachim Boldsen ist ein besonderer Handballer, war mehrere Jahre lang einer der Motoren der SG Flensburg-Handewitt. Mitspieler wie Lars Christiansen bezeichneten den Dänen schon mal als „Kampfschwein“, die Fans liebevoll als „Traktor“. Nun schließt sich ein Kreis. Am kommenden Samstag bestreitet der 29-jährige Däne dort sein letztes Spiel, wo die Bundesliga-Karriere im September 1999 begann. Beim TV Großwallstadt. „Das ist kein besonderer Abschluss für mich“, sagt Joachim Boldsen. „Die Mannschaft und das Umfeld haben sich seit meiner Zeit komplett verändert – ich kenne niemanden mehr.“
In Unterfranken spielte Joachim Boldsen zwei Spielzeiten, gewann 2000 sogar den City-Cup. Doch kurz darauf musste der TVG kleinere Brötchen backen: Die Mannschaft um den damaligen Superstar Jackson Richardson brach auseinander. Joachim Boldsen heuerte bei Ajax-Farum an, einem Kopenhagener Vorstadtclub, der bald wegen finanzieller Probleme von der Bildfläche verschwinden sollte. In der Heimat folgte aber schnell die Ernüchterung. Die Leistungsdichte war längst nicht so hoch wie in der Bundesliga, in den Hallen herrschte kaum Stimmung. Jochim Boldsen wurde es ganz schlicht „langweilig.“
Die Rettung nahte im Dezember 2001, nach nur vier Monaten in der Heimat: ein Angebot der SG Flensburg-Handewitt. Dort arbeitete Landsmann Erik Veje Rasmussen am Aufbau einer 6:0-Abwehr und hatte Probleme mit dem russischen Spielmacher Igor Lavrov. Joachim Boldsen war das „Missing link“. Der damalige SG-Manager Manfred Werner setzte sich mit Vater Steen Boldsen, Ende der 70er Jahre fünffacher dänischer Nationalspieler, an den Verhandlungstisch. Am Ende war der Vertrag in Dänemark aufgelöst, die Unterschrift von Joachim Boldsen stand nun auf einem bis 2004 gültigen Papier.
Auf Anhieb schlug Joachim Boldsen ein, erkämpfte sich das Herz der Fan-Gemeinde. Kein Wunder, dass sein Kontrakt schon im folgenden Sommer bis 2007 verlängert wurde. Somit war das dänische Kraftpaket einer der Protagonisten, die die SG zu drei DHB-Pokalsiegen (2003 bis 2005) und zur Deutschen Meisterschaft 2004 führten. Und die negativen Höhepunkte? „Zwei Mal waren wir ganz dicht dran, die Champions League zu gewinnen“, sagt Joachim Boldsen. „Danach war ich jeweils sehr enttäuscht, dass es nicht geklappt hatte.“
Für die Zukunft hat Joachim Boldsen bereits Nägel mit Köpfen gemacht. Bereits im letzten Oktober nutzte er einen trainingsfreien Tag und „düste“ nach Nordjütland. Der dänische Erstligist AaB Aalborg gab auf einer Pressekonferenz einen Coup bekannt. „Joachim Boldsen wird die Mannschaft nach vorne bringen“, frohlockte Aalborg-Manager Jan Larsen, der seit gut fünf Jahren immer wieder Kontakt mit dem dänischen Nationalspieler hatte. Der „Traktor“ unterschrieb einen Drei-Jahres-Vertrag. „Ich habe in Aalborg die Möglichkeit, etwas Neues und Großes aufzubauen“, sagt der 29-Jährige. „Außerdem werde ich mehr Zeit für die Familie haben.“
Joachim Boldsen heiratete im letzten Sommer seine langjährige Freundin Nancy. Im März erblickte Töchterchen Fleur das Licht der Welt. Ein Haus in Aalborg ist bereits gekauft. Die langen Auswärtsfahrten gehören der Vergangenheit an. „Dänemark ist klein“, schmunzelt Joachim Boldsen. „In vier Stunden erreicht man auch den letzten Zipfel.“ Sportlich ist der Klub in Aalborg, der noch nach Verstärkungen auf dem Transfermarkt Ausschau hält, durchaus ambitioniert. Dennoch betritt Joachim Boldsen mehr oder weniger „Neuland“. Der Trainer Per Jessen sagt ihm nicht viel. Von den zukünftigen Kollegen ist ihm nur Daniel Svensson aus den gemeinsamen Monaten bei Ajax Farum ein Begriff.

Joachim Boldsen tankt sich durch.

Die SG-Fans hingegen waren überrascht, dass Joachim Boldsen ausgerechnet nach Dänemark wechselte und nicht nach Spanien. Oft hatte er mit dem FC Barcelona kokettiert. Es verwunderte daher nicht, dass dänische Medien vermuteten, dass im Aalborg-Vertrag eine „Spanien-Klausel“ stecken und sich der „Traktor“ im Sommer vielleicht doch ans Mittelmeer verändern könnte. Während der Weltmeisterschaft sollen Barcelona, San Antonio und Ciudad Real Interesse bekundet haben. „Es wird geredet und geredet“, sagte Joachim Boldsen zu den Gerüchten und fügte humorvoll an: „Ich weiß aber nichts, weil mein Agent Skiurlaub macht.“ Nun stellt er klar: „Spanien spielt in meinen Planungen keine Rolle mehr, jetzt steht die Familie im Vordergrund.“

Von: ki