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21.07.2005 -Kent-Harry Andersson: „Die Weiterentwicklung der Mannschaft steht im Vordergrund“

Fünf Wochen Pause. Kent-Harry Andersson schaltete wie in jedem Jahr im südschwedischen Sommerhaus ab. Golf, Lesen und ein Bad am Morgen prägten den Tagesablauf. „Das Wasser wurde von Tag zu Tag wärmer“, schmunzelte der Coach der SG Flensburg-Handewitt über die ersten Berührungen mit dem nassen Element. Die Sommersonne erwärmte das Wasser von 13 auf 23 Grad. Das waren die einzigen Zahlen, die im Urlaub von Kent-Harry Andersson eine Rolle spielten. Handball-Ergebnisse schob er ganz zur Seite und schaltete vom Bundesliga-Betrieb ab. Erst in der letzten Woche erreichten SG-Geschäftsführer Thorsten Storm und SG-Gesellschafter Manfred Werner den Trainer, der sein Handy ausgeschaltet hatte. Die Redaktion sprach nach der Rückkehr ins verregnete Schleswig-Holstein mit Kent-Harry Andersson.


Kent-Harry, am Montag beginnt die Vorbereitung. Juckt es schon in den Fingern?
Kent-Harry Andersson: Im Grunde schon. Allerdings fehlen uns in der ersten Woche einige Akteure. Marcin Lijewski, Johnny Jensen und die Dänen sind zu ihren Nationalmannschaften gefahren. Und Stephen Nielsen, unser dritter Torwart, stößt erst in vier Wochen dazu, da er an der Junioren-Weltmeisterschaft teilnimmt.


Auf welche Schwerpunkte legst du in der Testphase wert? Gibt es Veränderungen zur Vorsaison?
Kent-Harry Andersson: Physis, Technik und Handball bleiben unverändert wichtig. Wir bestreiten aber weniger Testspiele, da unser Kader nun eine größere Breite besitzt, um im Training gute Partien abzuliefern. So müssen wir nicht so oft reisen. Wir hatten ursprünglich überlegt, die erste Trainings-Woche in Österreich oder Spanien zu absolvieren. Angesichts der Personal-Situation in den ersten Tagen haben wir davon aber Abstand genommen.


Hast du nach der längeren Pause eine Erklärung gefunden, warum im letzten Jahr zwei Teams die Bundesliga so eindeutig beherrschten?
Kent-Harry Andersson: Wenn ich ehrlich bin, nein. Ich hatte vor der Saison mit sechs bis sieben Teams gerechnet; dann waren aber der THW und wir weit voraus, obwohl wir nicht so viel besser sind wie die anderen. Der TBV Lemgo etwa hatte Verletzungspech. Beim SC Magdeburg, dem ich die Meisterschaft zugetraut hatte, machte die Integration der Neuzugänge ein paar Probleme. Außerdem kann ich die schwankenden Leistungen des VfL Gummersbach immer noch nicht nachvollziehen.


Kent-Harry Andersson will wieder "Vollgas" geben.

Wie wird sich die Bundesliga in der Serie 2005/2006 entwickeln? Brechen andere Klubs in die Nord-Phalanx ein?
Kent-Harry Andersson: Da bin ich mir ziemlich sicher. Die kommende Saison wird an der Spitze wesentlich enger. Kiel hat jetzt zwar einen breiteren Kader, mit dem man auch die Champions League gewinnen kann, aber erst einmal müssen die Neuen integriert werden. Neben den schon erwähnten Mannschaften traue ich auch der HSG Nordhorn einiges zu. Im Pokal-Halbfinale hat die Truppe von Ola Lindgren bewiesen, wie stark sie ist. Eine Überraschung traue ich auch einem Aufsteiger zu. Die SG Kronau-Östringen ist wirklich ein interessantes Team.


Wie lautet dein persönliches Saisonziel? Wo siehst du bei deinem Team noch die Chancen für eine Optimierung? Im letzten Jahr lief es ja schon verdammt gut.
Kent-Harry Andersson: Der Anspruch muss natürlich lauten, unter die ersten Drei zu kommen. Auf diesem Niveau entscheiden dann Nuancen. Die Weiterentwicklung der Mannschaft muss im Vordergrund stehen. Das ist uns auch im letzten Jahr gelungen, obwohl wir mit Lars Krogh Jeppesen einen ganz wichtigen Akteur verloren hatten. Blazenko Lackovic kann aber noch einen weiteren Schritt nach vorne machen. Viel hängt auch von Glenn Solberg und Joachim Boldsen ab. Im letzten Jahr hatten wir etwas Glück, dass zumindest einer von diesem Duo einsatzbereit war. So oder so – es ist verdammt schwer, auf allen Hochzeiten zu bestehen. Das gilt gerade für die Champions League. Um die zu gewinnen, muss man sich schon auf diesen Wettbewerb konzentrieren. Dem SC Magdeburg gelang 2002 der große Coup, war in der Bundesliga in jenem Jahr aber nur Sechster.

Die SG hat einige Neuzugänge verpflichtet. Schon vor Weihnachten stand der Transfer von Michael V. Knudsen fest. Was ist vom dänischen Kreisläufer in seiner ersten Bundesliga-Saison zu erwarten?
Kent-Harry Andersson: Mit Michael V. Knudsen müssen wir etwas Geduld haben. Er muss sich erst einmal an die raue Bundesliga-Luft gewöhnen. Auch ein Blazenko Lackovic hatte im ersten halben Jahr gewisse Schwierigkeiten. Für Michael V. Knudsen ist es in der ersten Zeit sicherlich von Vorteil, dass er bei der SG auf viele Landsleute und einen skandinavischen Trainer trifft.


Michael V. Knudsen (m.) trifft bei der SG auf bekannte Gesichter.

In welche Rollen sollen die anderen etablierten Neuzugänge, nämlich Goran Sprem, Igor Kos und Kasper Nielsen, schlüpfen?
Kent-Harry Andersson: Goran Sprem ist für mich der designierte Nachfolger von Lars Christiansen, der ja überlegt, ob er nach der Saison nach Dänemark zurückkehren soll. Goran Sprem eignet sich auch hervorragend für eine offensive Deckung. Die 6:0-Formation wird aber unser Grundsystem bleiben. Schließlich stellten wir in der letzten Serie die stärkste Abwehr der Liga. Igor Kos soll Marcin Lijewski entlasten. Er kann nicht immer 60 Minuten auf höchstem Niveau spielen. Außerdem kann Igor Kos – das habe ich auf Videos gesehen – auf Rechtsaußen einspringen, wenn Sören Stryger mal eine Pause braucht. Kasper Nielsen hat die Attribute, die ich mir wünsche: schnell, explosiv sowie stark in Abwehr und Angriff.

Was ist von den drei jungen Dänen zu erwarten? Wird man Stephen Nielsen, Nichlas Holm und Simon Friis häufiger in der Campushalle sehen?
Kent-Harry Andersson: Die drei werden mit uns häufig trainieren, aber zunächst hauptsächlich im Junior-Team Spielpraxis sammeln. Wir brauchen die jungen Dänen auf jeden Fall, wenn wir Verletzungspech haben. Außerdem ist ein Platz im 14er Aufgebot stets frei.

Als Co-Trainer fungiert erneut Bogdan Wenta. Ist es für dich ein Vor- oder ein Nachteil, dass er zugleich Nationalcoach Polens ist?
Kent-Harry Andersson: Weder noch. Die Situation hatten wir schon in der letzten Saison. Ich bin alt genug, den Trainings-Betrieb auch allein zu leiten, wenn Bogdan Wenta bei der polnischen Auswahl ist.

Von: ki