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Machulla und sein Bauchgefühl

(sh:z; Hans-Werner Klünner) „Flensburg ist viel schöner als Berlin“, skandierten die Fans in der restlos ausverkauften Flens-Arena zum ersten Mal nach rund 50 Minuten. Und nach dem Schlusspfiff feierten sie ihre Mannschaft, vor allem aber Torhüter Kevin Möller mit Minuten langen Gesängen. Ihre SG Flensburg-Handewitt hatte in der Handball-Bundesliga zwei big points im Kampf um die erneute Qualifikation zur Champions League eingefahren, im Topspiel den Tabellenzweiten Füchse Berlin mit 29:21 (14:10) deutlich beherrscht und Platz zwei zurückerobert.

Die Füchse waren an diesem Abend chancenlos gegen eine SG, die in Abwehr und Angriff nach zerfahrenem Beginn als homogenes Team agiert hatte – mit einigen herausragenden Protagonisten wie den schon erwähnten Kevin Möller im Tor, Tobias Karlsson und Anders Zachariassen in der Defensive sowie Rasmus Lauge und Thomas Mogensen in der Offensive.

Nur einer wollte das nicht wahrhaben. Füchse-Coach Velimir Petkovic gratulierte mit saurer Miene zwar „zu einem verdienten Flensburger Sieg“, um anschließend gegen die Schiedsrichter Geipel/Helbig zu granteln: „Meine Mannschaft hat gekämpft und hätte eine faire Chance verdient gehabt.“ Diese Meinung hatte der 61-Jährige allerdings exklusiv.

SG-Trainer Maik Machulla hingegen lobte sein Team und die Zuschauer. „Ich wollte vom ersten Moment an Aggressivität auf der Platte, auf der Bank und auf den Rängen, das haben alle verstanden“, bedankte sich der 41-Jährige für die Unterstützung, die er sich in dieser Form eigentlich in jedem Spiel wünscht. „Die Stimmung war fantastisch.“ Und er sparte auch nicht mit Lob für seine Spieler: „Nachdem wir in den ersten zehn Minuten mit dem Kopf durch die Wand wollten, haben wir uns danach auf unser gut funktionierendes Kollektiv besonnen.  Tobias Karlsson und Anders Zachariassen haben im Zentrum einen super Job gemacht, Kevin Möller im Tor hat unglaublich gehalten, Thomas Mogensen hat vorn das Spiel klug gesteuert, und auch Rasmus Lauge hat ein Riesenspiel gemacht.“

Mit 19 Paraden hatte Möller exakt 50 Prozent der gegnerischen Würfe abgewehrt. „Waren es tatsächlich so viele?“, fragte der Däne. „Das überrascht mich ein bisschen.“ Dass er von den Fans als Held des Abends gefeiert worden war, freute ihn. „Doch die Abwehr hat mir dabei viel geholfen“, gab der Keeper zu Protokoll. „Ich muss vor Tobias und Anders den Hut ziehen, was sie im Mittelblock geleistet haben.“
„Wir sind als Mannschaft aufgetreten“, war für Anders Zachariassen der Schlüssel zum Erfolg. Der Däne hatte dabei nicht nur im Abwehrzentrum  überzeugt, sondern vorn auch vier Tore zum Sieg beigesteuert. „Das war ein richtig geiles Spiel. Wir haben gezeigt, dass wir nach wie vor ein sehr hohes Niveau erreichen können.“

Auf Top-Niveau spielt Holger Glandorf in der Liga schon seit 15 Jahren. Mit seinen drei Treffern löste der bald 35-Jährige am Mittwoch den bis dahin mit 2262 Toren führenden Südkoreaner Kyun Shin Yoon als Spitzenreiter in der ewigen Rangliste der besten Bundesliga-Schützen aus dem Spiel heraus ab, hat jetzt 2264 Treffer auf seinem Konto. Und bis Ende seines Vertrages in Flensburg im Sommer 2019 dürften noch einige hinzukommen. „Wenn ich irgendwann einmal aufgehört habe, werde ich vielleicht in Ruhe darüber nachdenken“, meinte der Linkshänder zu seiner Bestmarke. „Heute ist mir der Erfolg der Mannschaft viel wichtiger.“ Typisch Glandorf – ein Teamplayer durch und durch. „Was Holger über die Jahre geleistet hat, ist einfach fantastisch“, lobte indes Trainer Maik Machulla, der auf Nachfrage auch verriet, warum er an diesem Abend Möller den Vorzug vor Mattias Andersson gegeben hatte. „Das war ein Bauchgefühl. Und ich habe richtig gelegen. Hoffentlich lässt es mich auch in Zukunft nicht im Stich.“

Schon am nächsten Donnerstag in Magdeburg muss die SG beweisen, wie viel der Sieg  über die Füchse am Ende wert sein kann. Doch daran wollte noch keiner denken. Spieler und Trainer genießen jetzt erst einmal ein freies Wochenende, das sie sich redlich verdient haben.