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Hoffen auf den Weihnachtseffekt

(sh:z; Jan Wrege) Das Weihnachtsfest ist für die SG Flensburg-Handewitt getrübt, nachdem die Ambitionen in dieser Saison einen weiteren schweren Dämpfer bekommen haben. Schon nach dem ersten Spiel der Rückrunde in der Handball-Bundesliga steht der Vizemeister bei neun Minuspunkten – nur einer weniger als in der gesamten vergangenen Spielzeit. Statt die Tabellenspitze zu erobern, wurden die Flensburger nach der 27:32-Niederlage bei den Rhein-Neckar Löwen auf Rang vier durchgereicht, hinter die TSV Hannover-Burgdorf, die am zweiten Feiertag (17 Uhr) in die Flens-Arena kommt.

Den Gastgebern hoffen auf den Weihnachtseffekt in der ausverkauften Heimstätte. Seit der Premiere 2003 gab es sieben Partien vor eigenem Publikum am 26. Dezember, alle hat die SG gewonnen, dazu noch ein Spiel in Lemgo. So soll es weitergehen, wünscht sich SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke: „Wir wollen alle gemeinsam gegen Hannover gewinnen und uns mit positiven Emotionen in die Pause verabschieden.“

Gegen den Tabellendritten Hannover, der den Flensburgern im Hinspiel die erste schmerzliche Schlappe (29:32) in dieser Saison zugefügt hat, kann es ungemütlich werden. Die Niedersachsen, die vom neuen Trainer Carlos Ortega zu kaum erwarteter Stärke geführt worden sind, haben die letzten neun Bundesliga-Begegnungen ungeschlagen absolviert. Und sie treffen auf einen Gegner, der sich nach der Enttäuschung in Mannheim erst wieder aufrichten muss.

Immerhin, es gibt Tröstliches nach dem Duell mit dem Meister. Fast alle Heimspiele haben die Löwen bislang mit zweistelliger Differenz gewonnen, die SG schnitt nach dem THW Kiel (28:30) in der SAP-Arena noch am besten ab. Sie ist auch nicht an der Übermacht der Gastgeber gescheitert, sondern an sich selbst – ausgerechnet, als sich die Partie zum Besseren zu wenden schien. Da war viel Luft nach oben.

„Kämpferisch haben wir uns nichts vorzuwerfen“, sagte Spielmacher Kentin Mahé trotzig. Tatsächlich kam die SG aus einem Sieben-Tore-Rückstand zurück und brachte die Löwen in Bedrängnis. Doch nachdem Mahé, Thomas Mogensen und  Holger Glandorf die Gäste auf 19:21 herangebracht hatten, wurden sie von einem Problem eingeholt, das sich durch die gesamte Spielzeit zieht. Die fatale Abschlussschwäche nach vorbildlich erarbeiteten  Wurfmöglichkeiten wurde auch in Mannheim teuer. Glandorf verpasste völlig frei den Anschlusstreffer; Anders Zachariassen verfehlte nach einem gescheiterten 7:6-Angriff der Löwen das leere Tor; Henrik Toft Hansen, Lasse Svan und Hampus Wanne fanden in Torhüter Mikael Appelgren ihren Meister – alles binnen neun Minuten. „Wir kriegen den Flow nicht hin, um weiter dranzubleiben“, stellte Glandorf fest.

Die Gastgeber glänzten da längst nicht mehr. Sie hatten es zwei Akteuren zu verdanken, dass sie nach 47 Minuten wieder mit 26:20 vorn lagen. „Der Schwede mit den langen blonden Haaren hat uns den A... gerettet und das Mentalitätsmonster hat die Dinger reingemacht“, lobte Löwen-Spielmacher Andy Schmid die Kollegen Appelgreen und Sigurdsson als Matchwinner in der entscheidenden Phase.

Dass alles hätte kippen können, hatte RNL-Trainer Nikolaj Jacobsen geahnt. Für den 15:8-Vorsprung nach 20 Minuten war immenser Aufwand erforderlich. „Das hat viel Kraft gekostet“, meinte der Däne, der danach etwas zurückschalten ließ. Fortan war die SG die bessere Mannschaft, doch die aufgelaufene Hypothek wog zu schwer. „Die Löwen haben es richtig gut und schlau gemacht. Wir haben uns zu spät auf ihre Taktik in diesem Spiel eingestellt“, meinte SG-Kapitän Tobias Karlsson. Die Gäste wirkten anfangs unentschlossen, wie Schmid,   Kreisläufer Henrik Pekeler und die quirligen Außen zu bearbeiten waren: kompakt und defensiv oder lieber offensiv? Trainer Maik Machulla bemängelte: „Wir waren in der ersten Halbzeit zu passiv in der Abwehr, haben da unsere Form nicht gefunden.“

Die Flensburger flüchteten in Durchhalteparolen. „Wir werden bis zum Ende da oben mitkämpfen. Die Saison ist lang, es kommen noch viele harte Spiele für uns und für die Konkurrenz“, sagte Karlsson, während Glandorf daran erinnerte, dass die Karten nach EM- und WM-Turnieren stets neu gemischt werden: „Wir sind immer noch oben dran – und wer weiß, was in der Bundesliga-Pause passiert?“ Das Restprogramm der SG macht Hoffnung: Kiel und Magdeburg auswärts sind die schwersten Aufgaben, alles andere sollte lösbar sein –  zumindest angesichts der Ansprüche, die man an sich selbst stellt.