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Eine Region im Handballfieber

(sh:z; Hans-Werner Klünner) „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Treffender könnte der „Höhner“-Song von 2007 die Ausgangssituation der SG Flensburg-Handewitt vor dem großen Meisterschaftsfinale in der Handball-Bundesliga nicht beschreiben. Mit einem Sieg im letzten Heimspiel über Frisch Auf Göppingen (So., 15 Uhr) in der restlos ausverkauften Flens-Arena würden sich die Nordlichter zum zweiten Mal nach 2004 zum deutschen Meister krönen.

Eine Region befindet sich im Ausnahmezustand und fiebert mit ihrer SG mit. „Die Meisterschaft ist unser größter Sehnsuchtstitel“, umschreibt SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke die Gefühlslage im hohen Norden. „Alle stehen hinter uns“, hat Trainer Maik Machulla registriert. „Es wartet etwas Großes auf uns. Das haben wir uns nach einer tollen Saison auch verdient.“

Die Chance, die Meisterschale an die Förde zu holen, ist auf absehbare Zeit wohl einmalig. Denn es steht ein großer Umbruch bevor. Für Jacob Heinl, Thomas Mogensen, Mattias Andersson, Henrik Toft Hansen, Kevin Möller und Kentin Mahé ist die Partie gegen Göppingen gleichzeitig die letzte im SG-Trikot. Sie alle möchten sich mit einem Titel verabschieden. „Das wäre das schönste Abschiedsgeschenk“, sagt Urgestein Jacob Heinl, der seit 1994 in diesem Verein spielt.

Aber noch trennen 60 Minuten die SG Flensburg-Handewitt von ihrem großen Traum. Seit dem ersten Titel vor 14 Jahren waren die Flensburger sieben Mal  Vizemeister. Jetzt haben sie vor dem großen Showdown am Sonntag einen Punkt Vorsprung auf die Rhein-Neckar Löwen. Und den wollen sie nicht hergeben. „Die Stimmung ist gut, alle freuen sich drauf, dass der Sonntag näher rückt. Und das ist auch gut so“, sagt Machulla, der sich bereits in seinem ersten Jahr auf dem Chefsessel zum Meister küren kann.

Die Vorbereitung läuft wie vor jedem Ligaspiel – mit einem kleinen Unterschied. „Die Anspannung steigt, die Nervosität auch“, gesteht der SG-Trainer. Das findet er jedoch ganz normal. „Wenn die Spieler nicht angespannt und nervös wären, sollte sie sich fragen, ob sie die richtige Berufswahl getroffen haben.“ Beim Freitagtraining hatten Spieler und Trainer „viel Spaß, es wurde auch viel gelacht“. Gleichzeitig waren alle aber „hoch konzentriert“. Heute ist Abschluss-Training mit Taktik-Besprechung. Morgen treffen sich die Protagonisten wie immer 90 Minuten vor dem Anpfiff in der Halle. Dazwischen sollen die Spieler mit ihren Familien Spazierengehen und schön zu Abend essen, „damit sie noch ein bisschen Alltag haben“.

Dass Göppingens Trainer Dr. Rolf Brack sein Team im Vorwege  „klein“ redet und ein Debakel befürchtet, lässt Maik Machulla kalt. „Rolf ist seit langem dabei, aber wie ich ihn kenne, wird er uns das Spiel nicht kampflos überlassen.“ Dass die Süddeutschen Personalsorgen haben, ist auch dem Flensburger nicht verborgen geblieben. Doch es macht für ihn keinen Sinn, darüber zu spekulieren, wer fit ist oder nicht. „Wir bereiten uns auf alle Spieler vor, dann sind wir auf der sicheren Seite“, sagt der SG-Trainer.

Die Flensburger Spieler werden im Finale nur so vor Energie sprühen. Davon ist der Maik Machulla überzeugt. Er steht vor der Aufgabe, diese Energie zu kontrollieren und richtig zu steuern. „Wir werden alles raushauen, was wir haben, aber wir dürfen nicht einfach nur mit dem Kopf durch die Wand wollen.“ Nicht allein Leidenschaft ist gefordert, sondern auch Geduld und schlaues Spiel. „Wir müssen unsere Emotionen in den Griff bekommen“, weiß Machulla.

Der SG-Coach kann den Zuschauern in der pickepackevollen Flens-Arena – so wie es gestern aussah – einen kompletten Kader mit 16 einsatzfähigen Spielern präsentieren. Also mit Anders Zachariassen. Der Kreisläufer hat nach seiner Sprunggelenksverletzung in dieser Woche große Fortschritte gemacht. „Wenn er das Abschlusstraining durchsteht, ist er eine Option“, so Machulla.