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Statt der Revanche ein Desaster

(sh:z; Jan Wrege) Neun Minuten genügten dem THW Kiel, um das 96. Handball-Landesderby gegen die SG Flensburg-Handewitt früh für sich zu entscheiden. Nach dem 8:0-Lauf der Gäste vom 2:3-Rückstand zur 10:3-Führung zwischen der 5. und 14. Minute wurde es gestern still in der ausverkauften Flens-Arena. „Als Mahé dann noch einen Siebenmeter an die Latte setzte, dachte ich: Das kannst du heute eigentlich nicht verlieren“, beschrieb der überragende THW-Kreisläufer Patrick Wiencek seinen Schlüsselmoment in diesem Bundesligaspiel. So kam es: Der Rekordmeister bejubelte am Ende einen 35:27 (19:16)-Erfolg über den Erzrivalen.

Elf Tage nach dem 30:33 in der Champions League an selber Stelle geriet der SG Flensburg-Handewitt der Versuch der Revanche zum Desaster. „Es ist für mich unerklärlich. Im Abschlusstraining war meine Mannschaft noch sehr fokussiert. Aber im Spiel haben wir keinen Zugriff auf den Angriff des THW bekommen“, sagte SG-Trainer Maik Machulla. „Ich muss es auf meine Kappe nehmen, meinen Spielern nicht genug Aggressivität mit auf den Weg gegeben zu haben.“ Man habe es Kiel sehr einfach gemacht. „Dann ist der THW mit breiter Brust durchs Spiel marschiert – da ist es schwer, Paroli zu bieten“, sagte Machulla.

Alfred Gislason konnte sich ein gewisses Frohlocken nicht verkneifen. „Es ist ein gutes Gefühl, nachdem wir laut der Medien in dieser Saison so gut wie alles falsch gemacht haben.“  Gestern gab es nichts zu meckern. „Gefühlt haben wir fehlerfrei gespielt“, meinte Wiencek. Die langen, aber diszipliniert vorgetragenen Angriffe der Kieler schmeckten der SG nicht. „Ich glaube, vier oder fünf Tore machen wir im Zeitspiel – das gibt uns Selbstvertrauen und demoralisiert die Flensburger“, sagte Steffen Weinhold fast mitfühlend. Lange in der Abwehr zu stehen, bekam der SG auch in der Offensive nicht: Kein Druck, zu viele Fehler und Fehlwürfe, die gnadenlos mit Kontern bestraft wurden.

Linkshänder Weinhold hatte ebenso wie Spielmacher Domagoj Duvnjak im Derby vor elf Tagen noch gefehlt. Diesmal waren beide Trümpfe im Kieler Spiel. „Man hat gesehen, wie extrem wichtig es für uns war, dass beide wieder dabei sind“, dankte Gislason den Routiniers, die die Aufholjagd der Flensburger in der zweiten Halbzeit empfindlich störten.

Nach dem 7:14 in der 19. Minute hatte sich die SG endlich stabilisiert, das anfangs „peinliche“ (Rasmus Lauge) Rückzugsverhalten verbessert und die Kieler Gegenstöße eingedämmt. Es kam sogar wieder etwas Hoffnung auf, als der Rückstand bei Halbzeit auf drei Tore geschrumpft war und direkt nach der Pause sogar auf 17:19.

Doch die Kieler wurden nicht nervös. Kevin Möller, der Mattias Andersson nach 17 Minuten im SG-Tor abgelöst hatte, hielt stark, konnte den Gästen aber nicht den Zahn ziehen. Die ganz großen Torhütermomente gehörten wieder Andreas Wolff. Gislason hatte überraschend Niklas Landin zunächst den Vorzug gegeben, obwohl Wolff das vorangegangene Derby fast im Alleingang gewonnen hatte. „Ich habe in den letzten zwei Monaten gesehen, dass Andi viel stärker von der Bank kommt als Landin“, begründete der THW-Coach die Maßnahme. Tatsächlich wurde der eingewechselte Wolff erneut zum SG-Schreck. In der 46. Minute kam es zu einer weiteren Schlüsselszene, als Glandorf erneut die Chance hatte, auf zwei Tore zu verkürzen. Der Linkshänder war frei durch und warf aus kurzer Distanz, doch Wolff kickte den Ball unters Hallendach. Danach brach bei den Flensburgern jeder Widerstand zusammen.