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Torreicher Frühschoppen

(sh:z; Jan Wrege) Schöner Einstand für Trainer Maik Machulla, fast perfekter Saisoneinstieg in der Handball-Bundesliga für die SG Flensburg-Handewitt: Der Vizemeister fegte gestern  in der Flens-Arena über den TuS N-Lübbecke hinweg und holte sich mit dem 37:23 (19:12)-Erfolg die erste Tabellenführung. Nachdem alle Anspannung von ihm abgefallen war, bekannte Machulla: „Das letzte Mal war ich so aufgeregt, als ich in die Schule kam. Aber heute haben sich alle Erwartungen und Hoffnungen erfüllt.“

Die Mannschaft nahm dem Nachfolger von Ljubomir Vranjes früh die Sorge, dass es vielleicht ein schwieriges Spiel werden könnte. Nach neun Minuten stand es bereits 8:3 und der Vorsprung wuchs in der Folge weiter kontinuierlich an. Im Angriff suchten die Gastgeber schnell und entschlossen den Abschluss, wobei sich  insbesondere Rechtsaußen Lasse Svan in Wurflaune zeigte und elf Treffer erzielte. „In der ersten Halbzeit habe ich unglaublich viele Bälle bekommen. Ich bin froh, dass ich das umsetzen konnte“, sagte der Däne, der auch mit den Kollegen zufrieden war: „Wir haben 60 Minuten gut gespielt. Eine kleine Schwächephase haben wir kurz gehalten.“

Die SG-Abwehr stand so solide, als hätte es keine Sommerpause gegeben: Gut abgestimmt, schnell auf den Beinen, alles griff ineinander. Und hinter dem Bollwerk stand auch noch ein überragender Torhüter. Mattias Andersson wehrte 17 Würfe der Westfalen ab. Sein neuer Stellvertreter feiert ebenfalls einen kleinen Triumph. Mit seiner ersten Ballberührung parierte Rasmus Lind einen Siebenmeter des Nettelstedters Pontus Zettermann. Dazu genügte dem stoischen Dänen eine winzige Fußbewegung, was Machulla augenzwinkernd kommentierte: „Manchmal ist weniger mehr.“

Weniger Spaß hatte Aaron Ziercke. „Wir wollten ein etwas unangenehmerer Gegner sein. Das ist uns nur bedingt gelungen“, sagte der Trainer des Bundesliga-Rückkehrers. „Als die SG in der zweiten Halbzeit etwas vom Gas ging, hatten wir die Chance, wieder auf sieben Tore heranzukommen. Aber wir haben zu viel über die Mitte gespielt, dabei gab es viele technische Fehler.“

Die Abwehr der Gäste hatte dem Druck, den die SG ausübte, wenig entgegenzusetzen. Linkshänder Holger Glandorf ist knapp vier Monate nach seiner schweren Daumenverletzung fast wieder der Alte mit seinem Gespür für Lücken in der gegnerischen Abwehr. Rasmus Lauge glänzte mit spektakulärer Dynamik, Jim Gottfridsson spielte weniger auffällig, war aber mit vielen guten Entscheidungen sehr effektiv. Es lief schon sehr rund im Angriff, solange die bekannten Stammkräfte auf dem Parket standen.

Als Machulla den Neulingen die Chance gewährte, sich erstmals auf der Bundesligabühne zu zeigen, gab es einen leichten Bruch im Spiel. „Da wollte ich vielleicht zu viel auf einmal, das nehme ich auf meine Kappe“, kritisierte sich der SG-Trainer – allerdings auf hohem Niveau. Simon Jeppsson bewies halblinks sein großes Spielverständnis mit schönen Anspielen und erzielte nach drei Fahrkarten doch noch sein erstes Tor. „Darüber bin ich sehr froh, sonst wäre Simon mit einem nicht so guten Gefühl nach Hause gegangen“, meinte Machulla. Auch Marius Steinhauser traf, als Svan Platz machte, während Linkshänder Magnus Röd noch sehr zurückhaltend agierte.

Kontrovers wurde in der Pressekonferenz die ungewohnte Anwurfzeit um 12.30 Uhr diskutiert. Aaron Ziercke berichtete, wie sich das auf die Vorbereitung auswirkt. Da heißt es früher aufstehen und Frühstücksgewohnheiten ändern: „Um 7.30 Uhr eine Portion Nudeln zur Tasse Kaffee“, das sei wahrscheinlich nicht nach jedermanns Geschmack. Machulla wollte die durch den neuen TV-Vertrag bedingte Anwurfzeit nicht groß thematisieren: „Sich Gedanken über Sachen machen, die nicht zu ändern sind, raubt Energie.“ Vielmehr sieht der SG-Trainer sogar Positives in frühen Auswärtsspielen: „Da bekommt man eher noch einen Rückflug und spart Zeit für die Regeneration.“ Die Fans stören sich offenbar nicht am Handball-Frühschoppen. 5789 Zuschauer waren in der Halle – so viel wie noch nie zum SG-Bundesligastart.