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HSG Wetzlar

Anfangs wurde die HSG Dutenhofen-Müncholzhausen noch belächelt. Doch als HSG Wetzlar haben sich die Hessen längst in der DKB Handball-Bundesliga etabliert und schnitten zumeist besser als die Erwartungen ab. Jetzt blickt der Klub auf seine 20. Saison im Handball-Oberhaus.

Kreisläufer Jannik Kohlbacher.

Die Erinnerungen sind legendär: Wenn in der Sporthalle Dutenhofen der Abpfiff ertönte, dauerte es nur wenige Momente, dann hatten emsige Helfer Stehtische aufgestellt, und das Bier einer Privatbrauerei floss. Rund 1000 Fans leerten mehr als 200 Kisten Gerstensaft. In der „größten Kneipe Mittelhessens“ scherte sich keiner um das Rauchverbot. Doch neben der Geselligkeit stand der Wunsch, in Wetzlar einen Bundesligisten zu etablieren. Dazu zählte auch der Umzug in eine größere Spielstätte.

Es war ein langer Weg, bis aus den Ortsteilen Dutenhofen (3000 Einwohner) und Münchholzhausen (2600 Einwohner) der Stolz einer ganzen Stadt erwachsen war. In den 90er Jahren mischte die HSG Dutenhofen/Münchholzhausen konstant in der Spitzengruppe der Zweiten Liga mit. 1997 gelang sogar der Sprung ins Finale um den DHB-Pokal und auf die europäische Bühne. Die Strukturen waren amateurhaft. Es gab keine Geschäftsstelle, keinen Geschäftsführer. Neben einigen ausländischen Profis spielten etliche heimische Handballer, die einem klassischen Beruf nachgingen. Kreisläufer Wolfgang Klimpke etwa war Landwirt und Heizungsbauer und verpasste schon einmal ein Spiel. „Wenn das Wetter schön ist, muss ich zur Ernte“, sagte er. „Das Getreide wartet nicht.“

1998 stiegen die Hessen in die Bundesliga auf. In Windeseile wurde versucht, sich an die neue sportliche Umgebung anzupassen. Und das mit einem Etat von rund einer Millionen Euro. Die Räume der bisherigen Postfiliale wurden in Geschäftsstelle und Fan-Shop verwandelt. Die Sporthalle wurde auf ein Fassungsvermögen von 1750 Plätzen ausgebaut. „Geheim-Tipp“ Velimir Petkovic gewann ein Trainer-Casting, und Spielmacher Markus Baur wechselte an die Lahn. „Wenn wir uns länger als ein Jahr in dieser Weltliga halten können“, sagte der damalige Macher Rainer Dotzauer, „wäre das der größte Erfolg unserer Vereinsgeschichte.“ Es reichte – und nach der Sommerpause geht es in Saison Nummer 20.

Abwehr-Stratege Evars Klesniks.

Ohne Anstrengungen und Opfer ging es nicht. Die Hessen firmieren heute als HSG Wetzlar, um für potenzielle Sponsoren eine größere Attraktivität auszustrahlen. Die Sporthalle Dutenhofen stellte bald ein Problem dar. Sie war schlicht zu klein, TV-Sender machten einen Bogen um sie. Anfang 2005 war die Rittal-Arena in Wetzlar fertiggestellt. Die „Kneipe“ musste aufgegeben werden.

Eines änderte sich aber in all der Zeit nicht: Leistungsträger wurden permanent von der finanzkräftigeren Konkurrenz abgeworben. Vor dieser Serie wanderten Nationaltorwart Andreas Wolff (Kiel) und Rückraumass Steffen Fäth (Wetzlar) ab. Trainer Kai Wandschneider hatte dennoch ein gutes Gefühl. „In der Mannschaft ist eine Aufbruchstimmung zu verspüren“, sagte er. „Und die Neuzugänge machen einen sehr guten Eindruck.“

Keeper Benjamin Buric, Nationalspieler Philipp Weber, Routinier Stefan Kneer oder der norwegische Rechtsaußen Kristian Björnsen schlugen voll ein. Die HSG Wetzlar bewegte sich in den letzten Monaten auf nie zuvor erreichte Pfade und wird mit einer Rekordpunktzahl auf dem sechsten Rang der DKB Handball-Bundesliga landen. Hätte nicht FA Göppingen, sondern die Füchse Berlin oder der SC Magdeburg den EHF-Cup errungen, hätte es sogar mit der Qualifikation für den europäischen Wettbewerb gelangt.