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Die lange Suche nach der Balance

(sh:z; Hans-Werner Klünner) Eine gelungene Generalprobe für die Champions League war das nicht. Drei Tage vor dem Viertelfinal-Hinspiel gegen Vardar Skopje kam die SG Flensburg-Handewitt in der Handball-Bundesliga gegen den abstiegsbedrohten Bergischen HC erst in der zweiten Hälfte auf Touren und machte aus einem mageren 16:16-Pausenstand noch einen standesgemäßen 32:25-Erfolg. Dennoch stellte Trainer Ljubomir Vranjes in seiner Analyse nüchtern fest: „Vor der Pause haben wir die schlechteste Abwehrleistung in dieser Saison gezeigt. Die Deckungsarbeit wird in den nächsten Tagen das Hauptthema sein.“

Gegen den Sieger aus der Gruppe B und mazedonischen Meister, der das Achtelfinale übersprang, wird sich die SG am Sonnabend (17.30 Uhr, Flens-Arena) im Defensivbereich erheblich steigern müssen, wenn der Traum von der zweiten Teilnahme am „Final4“ in Köln weiter gelebt werden soll. Denn so ein Durcheinander in der Abwehr wie gegen den Bergischen HC hatte Vranjes lange nicht mehr gesehen. „Wir waren übermotiviert, spielten verkrampft, es herrschte viel Unruhe“, konstatierte der Schwede, um dann nachzulegen: „Wir wollten alles zeigen – auf einmal. Aber so funktioniert Handball nicht. Wenn du zu viel willst, geht das oft in die Hose. Wir haben einen Plan, und den müssen wir befolgen. Aber das haben wir in der ersten Halbzeit nicht gemacht.“

In der Tat waren die SG-Akteure lange Zeit vergeblich auf der Suche nach der richtigen Balance zwischen Motivation und Lockerheit, zwischen Entschlossenheit und Abgeklärtheit.  „Wir waren in der Abwehr viel zu bequem, haben uns nicht richtig Mühe gegeben. Dann haben wir es versucht und sind komplett aus dem Rhythmus gekommen, weil wir übermotiviert waren“, meinte ein selbstkritischer Mannschaftskapitän Tobias Karlsson.

Erst nach der Pausen-Ansprache von Ljubomir Vranjes mit der Kardinalfrage „Warum machen wir nicht das, was wir besprochen haben?“, fand  der Gastgeber in die Spur und agierte in der Defensive wie ausgewechselt: Bissig, aggressiv und schnell auf den Beinen. So war das Spiel gegen nie aufsteckende „Bergische Löwen“ schnell entschieden. Nach 43 Minuten führte die SG mit 25:19. Mit dazu beigetragen hatten auch „einige wichtige Paraden von Kevin Möller“ (Vranjes), der zur Halbzeit Mattias Andersson im Tor abgelöst hatte. „Wir haben nicht mehr diesen Punch gehabt wie in der ersten Halbzeit und unter Stress nicht mehr so gute Entscheidungen getroffen“, analysierte Gäste-Trainer Sebastian Hinze. „Wir haben zu früh abgeschlossen, und die SG konnte ihr Gegenstöße laufen. Das war genau das Spiel, das Flensburg haben wollte“, meinte der verletzte Viktor Szilagyi, der von 2010 bis 2012 selbst das SG-Trikot getragen hatte.

So stand unter dem Strich doch noch ein standesgemäßer SG-Erfolg, weil die Gastgeber „wie in den vergangenen Wochen im Angriff überragend“ gespielt hatten, wie Vranjes befand. „Wir haben gegen diese offensive Abwehr immer wieder Lösungen gefunden.“ Die Chancenverwertung ist dennoch verbesserungswürdig. Allein im ersten Durchgang hatten die Flensburger zehn Fehlwürfe zu verzeichnen. Eine glorreiche Ausnahme war dabei Linksaußen Anders Eggert mit neun Treffern bei neun Versuchen. Sein Tor zum 24:19 in der 40. Minute war das 2500. in seiner langen SG-Laufbahn. Nur Legende Lars Christiansen war mit 3996 Treffern erfolgreicher.

„Das werde ich nicht mehr schaffen“, sagte Eggert mit einem Lächeln. Am 10. Juni endet die SG-Laufbahn des dann 35-Jährigen. Sein Traum, sich mit einem Titel aus Flensburg zu verabschieden, lebt aber weiter. Am Sonnabend kann die SG in eigener Halle gegen Vardar Skopje den ersten Schritt Richtung „Final4“ in Köln machen. Doch der Däne weiß: „Das wird eine ganz andere Nummer als gegen den Bergischen HC.“