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Die Bundesliga-Bestmarke wackelte

(sh:z) Am Samstag steigt in der Mindener Kampa-Halle die Party „Enjoy The 90s”. Die Handball-Fans in Westfalen hätten sich am Mittwochabend am liebsten auch in jene Dekade zurück manövriert, in der GWD Minden zu den Spitzenteams in Deutschland zählte. Nun waren die Hausherren nur Beiwerk eines 41:17-Schützenfestes der SG Flensburg-Handewitt, die in ihrer Vereinsgeschichte noch nie einen so hohen Bundesliga-Sieg bejubelt hatte. Die absolute Bestmarke, ein 44:17 des HSV Hamburg über Wilhelmshaven aus dem Jahr 2008, wackelte, der bislang für die Rhein-Neckar Löwen notierte Auswärtsrekord (42:19, 2014 in Eisenach) fiel.

Die Kulisse von 3197 Zuschauern staunte eine Viertelstunde vor Schluss. Die verletzungsgeplagten Gastgeber schickten namenlose Youngster wie Mats Korte, Maximilian Nowatski oder Justus Richtzenhain ins Rennen, während die SG ein ganz anderes Format aufbieten konnte: Kentin Mahé, einen frischgebackenen Weltmeister. Der Franzose und seine Nebenleute kannten keine Gnade mit der westfälischen Verlegenheitstruppe und bauten ihren Vorsprung nach einem halbwegs normalen 14:24 (41.) fast im Minuten-Takt weiter aus. „Jedes Tor zählt“, erwähnte Kentin Mahé. „Wir haben ja in den letzten Jahren gesehen, was eine deutsche Meisterschaft entscheiden kann.“

Bestes Beispiel: 2014. Damals lag der THW Kiel in der Endabrechnung winzige zwei Treffer vor den Rhein-Neckar Löwen. Nun sind es die Badener, die nach der erneuten Kieler Niederlage zum ärgsten Widersacher der SG avancieren. Einen Zweikampf ausrufen wollte aber niemand. „Der THW behält ja Außenseiter-Chancen, es werden noch so viele Punkte verteilt“, meinte SG-Linksaußen Anders Eggert. Kentin Mahé ergänzte: „Wir haben fünf Punkte Vorsprung auf Kiel, das ist Fakt. An unserer mentalen Fokussierung auf die nächsten Aufgaben wird das aber nichts ändern.“

Gerade in diesem Punkt war Ljubomir Vranjes mit den abgelaufenen 60 Minuten rundumzufrieden und formulierte ein positives Fazit der jüngsten Fünf-Tages-Tour nach Barcelona und Minden. „Wir hatten viel Zeit zusammenverbracht und konnten so einige Kleinigkeiten besprechen“, erklärte der Trainer. „Die Mannschaft war heute wirklich sehr konzentriert.“ Den Kantersieg begünstigten Mindener, die nach dem 7:8 (16.) völlig auseinanderfielen. „Die haben zuerst einige Fehler gemacht, die wir bestraften und dann ihren Mut verloren“, wunderte sich Anders Eggert. „Die Mannschaft war bemüht, hat aber keinen emotionalen Zugriff auf die Partie bekommen“, entschuldigte sich GWD-Coach Frank Carstens.

So konnte Thomas Mogensen, der im Notfall bereitgestanden hätte, hinter der Bank sitzen bleiben. Er erfreute sich am Torrausch, der seine Krönung mit einem Kempa-Trick zum 17:40 fand. „Ich war selbst etwas weit nach außen gekommen“, erzählte Passgeber Anders Zachariassen später, „wusste aber, dass Kentin Mahé in den Kreis springen würde. Es hat geklappt.“ Die Lokalmatadoren hatten an diesem Abend nur in einem Punkt die Nase vorn: Ende März wollen sie ihr 1000. Bundesliga-Spiel feiern, die SG bringt es seit 1992 „nur“ auf 820 Erstliga-Partien.