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MT Melsungen

In Melsungen, dem 13000-Einwohner-Fachwerk-Städtchen an der Fulda, gediehen die Ambitionen relativ bald nach dem 2005 erfolgten Bundesliga-Aufstieg. Doch bis einschließlich 2013 drang die MT nie in die obere Tabellenhälfte vor. Ein geduldiges wirtschaftliches Umfeld, der Blick in die 30 Kilometer entfernte Metropole Kassel, eine gute Wahl bei der Besetzung des Traineramts und eine neue Philosophie bei der Zusammensetzung des Kaders sorgten letztendlich für den Sprung gen Spitze. Aus „Tschechisch-Melsungen“, das dann auf griechische Spieler setzte, wurde eine Skandinavien-Auswahl mit einem starken deutschen Fundament.

Michael Müller.

In der Pionierphase operierten die Nordhessen mit einem Etat von nur 1,4 Millionen Euro und spielten im benachbarten Rotenburg. Treibende Kraft im Hintergrund war der Hauptsponsor, ein ortsansässiges Pharmazie- und Medizinbedarfs-Unternehmen mit einem Jahresumsatz von vier Milliarden Euro. Die enge Verzahnung zwischen Sport und Unternehmen personifizierte Barbara Braun-Lüdicke, die sowohl bei den Handballern wie auch bei „B. Braun“ im Aufsichtsrat saß. Frühzeitig wurde der Draht nach Kassel gesponnen, als sich dort eine Multifunktionshalle im Entstehen befand. Ab Dezember 2007 spielte die MT Melsungen in der Rothenbachhalle. Bis 2010 war das Budget auf 3,5 Millionen Euro aufgestockt.

In einer tiefen Krise hatten die Verantwortlichen ein gutes Händchen. Als Melsungen im Herbst 2010 mit 0:24 Punkten ans Tabellenende abgestürzt war, saß mit Michael Roth eine erfahrene Kraft seiner Zunft frisch auf dem MT-Trainerstuhl. Seine neue Mannschaft kletterte noch auf Rang 13 und erwischte in die Serie 2011/12 einen Traumstart. Die Lokalpresse titelte euphorisch: „Und plötzlich ist fast alles Roth“. Der Coach verkleinerte den Kader, setzte auf einige ehrgeizige deutsche Talente und holte zwei gestandene schwedische Profis: Torhüter Per Sandström und Spielmacher Patrik Fahlgren. Aufgrund einer schwachen Rückrunde rutschte Melsungen allerdings auf Rang zehn ab.

Marino Maric.

In der nächsten Saison änderte sich an der Position nichts. Bundestrainer Michael Heuberger schaute dennoch häufiger in Kassel vorbei. Kreisläufer Felix Danner und Linksaußen Michael Allendorf entwickelten sich zu Kandidaten für die DHB-Auswahl. Kurz darauf wurde die Europapokal-Teilnahme ab der Saison 2015/16 als neues Ziel ausgerufen. Weitere Personalien hatten den Optimismus genährt. Mit Mikael Appelgren bewies ein weiterer schwedischer Keeper seine Klasse. Und neben Rechtsaußen Johannes Sellin heuerten auch die Zwillingsbrüder Michael und Philipp Müller in Nordhessen an. „Ein großer Schritt in unseren Planungen“, frohlockte MT-Geschäftsführer Axel Geerken.

Das neue Team wuchs schneller zusammen als erwartet. Die MT Melsungen blickte im Sommer 2014 auf die erfolgreichste Serie der Vereinsgeschichte zurück. Zum zweiten Mal in Folge qualifizierten sich die Nordhessen für das REWE Final Four und schoben sich in der DKB Handball-Bundesliga bis auf Rang sechs vor. Der erhoffte Sprung auf die europäische Bühne verlief dennoch nicht ohne Hickhack. Zunächst sollte Melsungen für den krisengeschüttelten HSV Hamburg in den EHF-Cup nachrücken, nach der Lizenz-Erteilung für die Norddeutschen schauten die MT-Handballer plötzlich in die Röhre. Ein Antrag an die EHF brachte dann doch die internationale Premiere. Abwehr-Stratege Daniel Kubes, der seine Karriere beendete, strahlte: „Dieser Erfolg bedeutet mir genauso viel wie die Trophäen, die ich bereits in meinen Händen halten durfte.“

Momir Rnic.

Die Nordhessen scheiterten schließlich im Viertelfinale des EHF-Cups hauchdünn an Skjern. In der letzten Serie katapultierten sie sich in der DKB Handball-Bundesliga auf Rang vier und qualifizierten sich zum zweiten Mal für den europäischen Wettbewerb. Die Gruppenphase ist erreicht. Europäischer Glanz könnte eine bislang eher durchwachsen verlaufene Saison überlagern…