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Scharf auf die Schale

(sh:z; Jan Wrege/Holger Loose) Der im Sommer bevorstehende Abschied von Trainer Ljubomir Vranjes soll ab heute bei der SG Flensburg-Handewitt kein Thema mehr sein, schließlich ist Derbyzeit. „Über mich selbst mache ich mir gar keine Gedanken, es geht nur um die Mannschaft“, sagte der 43 Jahre alte Schwede gestern vor seinem letzten Duell mit dem THW Kiel in der Handball-Bundesliga.  Auch für die Kieler spielt die Vranjes-Personalie nur eine untergeordnete bis gar keine Rolle. „Soviel ich weiß, wird Ljubo selbst nicht spielen“, sagte THW-Geschäftsführer Thorsten Storm gestern. Er glaube deshalb nicht, dass die Trainer-Diskussion bei der SG für den Ausgang des heutigen Spiels eine Relevanz habe.

Angesichts der Bedeutung des 92. Derbys heute um 19 Uhr (live Sport1) in der Flens-Arena  gerät alles andere in den  Hintergrund. Der Tabellenführer aus Flensburg hat den Zweiten aus Kiel zu Gast – es kann schon eine Vorentscheidung in der Meisterschaft fallen. „Kiel ist einer der härtesten Gegner, den man kriegen kann“, sagte Vranjes, „besonders nach einer langen Pause, ohne vorher ein Spiel gehabt zu haben. Man wird einige Sachen sehen, die noch nicht funktionieren.“ Aber das gilt für beide, und deshalb findet es der SG-Trainer gar nicht so schlecht, dass das absolute Schlagerspiel der Liga gleich den Einstieg in den zweiten Saisonabschnitt bildet. „Es ist gut, mit Kiel anzufangen. Wir werden sehen, wo wir stehen.“

Erstmals seit längerer Zeit muss sich Vranjes mit Personalsorgen auseinandersetzen. Linkshänder Johan Jakobsson fällt auf unbestimmte Zeit aus, im schlimmsten Fall noch zwei bis drei Monate. „Die Meisterschaft ist in Gefahr, wir müssen reagieren“, sagte der SG-Trainer, der mit Geschäftsführer Dierk Schmäschke seit zwei Tagen auf der Suche nach Ersatz ist. Eine Woche ist noch Zeit, dann schließt das Transferfenster.
Jakobsson hatte sich vor vier Wochen während der WM-Vorbereitung der schwedischen Mannschaft bei einem Trainingsunfall eine schwere Kopfverletzung zugezogen. Bei einer Untersuchung in dieser Woche zeigten sich immer noch neurologische und motorische Beeinträchtigungen. „Bei solchen Verletzungen darf man keinerlei Risiken eingehen“, betonte Schmäschke. Der Schwede, der am kommenden Sonntag 30 Jahre alt wird, soll alle Zeit zur Genesung bekommen.

Die SG treffe dieser Ausfall hart, so Vranjes. „Holger Glandorf und Johan Jakobsson haben sich die Position geteilt. Johan hat das überragend gemacht, jetzt ist Holger allein“, sagte der Trainer, der das Problem im Derby noch mit Bordmitteln lösen muss: „Natürlich haben wir Varianten mit drei Rechtshändern im Rückraum und mit zwei Kreisläufern vorbereitet.“

Auch der THW muss auf einen Linkshänder verzichten. Steffen Weinhold ist nach dem Riss des Syndesmosebandes im rechten Sprunggelenk noch nicht wieder fit. Allerdings hat THW-Coach Alfred Gislason in Marko Vujin und Christian Zeitz immerhin zwei Alternativen. Bei der SG ist zudem Anders Eggert nicht in Topform. Der dänische Linksaußen hat zwar den Bänderriss aus der Partie bei der MT Melsungen auskuriert, laboriert aber an den typischen Verschleißerscheinungen eines bald 35 Jahre alten Handball-Profis.

Spannend wird die Frage sein, wie beide Teams die Nachwirkungen des WM-Turniers verkraftet haben. Die SG hatte fünf Spieler abgestellt, die aber bis auf Weltmeister Kentin Mahé früh wieder zu Hause waren. Vom THW waren acht Profis in Frankreich, und insbesondere die hohe Belastung von Domagoj Duvnjak könnte ins Gewicht fallen. Der Spielmacher, um den in Kiel alles kreist, absolvierte in Frankreich das volle Programm.   Vielleicht, so Vranjes, könnte dies ein Vorteil für die SG sein.

Der Kroate hat aber die letzten zehn Tage genutzt, um die Blessuren von der WM – vor allem am linken Knie – einigermaßen auszukurieren. Und Duvnjak brennt aufs Derby: „Das sind die Spiele, bei denen ich die Bedeutung, das schwarz-weiße Trikot zu tragen, noch stärker als sonst spüre.“ THW-Coach Alfred Gislason freut sich denn auch darüber, dass „die meisten meiner Spieler trotz der WM-Strapazen ganz gut drauf sind.“ Die Favoritenrolle schiebt der Isländer dennoch den Gastgebern zu. „Zurzeit ist Flensburg die bessere Mannschaft. Sie haben einen breiteren Kader und können Ausfälle besser kompensieren.“

Anders als die Flensburger wollen die Kieler im Übrigen nicht gänzlich ausschließen, das schon heute Abend eine Vorentscheidung im Titelkampf fallen könnte. „Das kommt darauf an, wer das Spiel gewinnt. Schaffen wir in Flensburg einen Auswärtssieg, dann bleibt es bis zum Saisonende spannend“, sagt Thorsten Storm, der allerdings weiß, wie schwer es wird, bei der SG zu punkten. „Du brauchst als Auswärtsteam eine Top-Leistung über 60 Minuten auf allen Positionen – und zusätzlich auch stabile und erfahrene Schiedsrichter, die dem Druck der Halle stand halten.“ Angesetzt ist heute Abend das deutsche Spitzengespann Geipel/Helbig.