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Wieder ein Drama gegen Berlin

(sh:z; Jan Wrege) Als Mattias Andersson den Wurf von Steffen Fäth, der wenige Meter völlig frei vor ihm aufgetaucht war, mit einem phänomenalen Reflex  abgewehrt hatte, war die SG Flensburg-Handewitt wieder in der Spur. Viereinhalb Minuten vor Schluss hatten die Füchse Berlin im Spitzenspiel der Handball-Bundesliga noch mit 25:23 geführt. Kentin Mahé schaffte per Siebenmeter den Anschluss, und nach Anderssons Glanztat traf Holger Glandorf zum 25:25. Die letzten Minuten – ein einziges Chaos: Rot für den Berliner Zachrisson, die Führung  für Flensburg, wieder Ausgleich und dann das erlösende 27:26 durch Lasse Svan elf Sekunden vor dem Ende. Das war die Entscheidung für den Tabellenführer nach intensiven  60 Minuten.

Mattias Andersson wurde nachher nicht nur für die Paraden in diesem Spiel gefeiert, sondern auch, weil er der SG noch eine weitere Saison erhalten bleibt. Die Verkündung der Vertragsverlängerung für den Schweden, der im März 39 Jahre alt wird, wurde in der ausverkauften Flens-Arena stürmisch bejubelt. Ein emotionaler Moment für den Keeper: „Wenn man in sich hinein guckt, spürt man schon das eine oder andere Tränchen kommen.“ Andersson  hat lange mit sich gerungen, mit der Familie sorgfältig alles abgewogen. „Es war nicht leicht. In meinen Alter muss man darüber nachdenken. Ich habe eine gute Hinrunde gespielt, und ich habe das Gefühl, dass ich weiter auf diesen Niveau spielen kann“, sagte Andersson.

Am Ende des Entscheidungsprozesses stimmte für ihn das Gesamtpaket. Die Situation der Familie, die sich hier wohlfühlt, der Spaß mit der Mannschaft, die sportliche Herausforderung und die Überzeugung, dass sein Körper mitmachen wird. Und danach? „Ein Jahr ist ein Jahr. Mehr gibt es nicht zu sagen“, so Andersson. SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke ist überzeugt, dass der Schwede seine Karriere in Flensburg beenden wird.  „Ein hohes Alter ist bei einem Torwart ja nichts Negatives. Es ist nur nicht leicht, den richtigen Zeitpunkt zum Aufhören zu finden. Wir  sind sehr froh, dass Mattias bleibt. Er ist einer der besten Torhüter der Welt.“

Das zeigte er auch gestern wieder mit 14/1 Paraden gegen bärenstarke Berliner, die auch ohne ihren besten Spieler Petar Nenadic (Grippe) den Flensburgern ein ähnlich hartes Match wie im Pokal vor sieben Wochen lieferten. Die Partie wurde zudem geprägt durch zahlreiche Fehlentscheidungen der Schiedsrichter Brodbeck/Reich, die so das Feuer in der ohnehin brodelnden Hölle Nord immer weiter schürten. Beide Seiten sparten anschließend nicht mit Kritik an den Unparteiischen. „Das war sehr oft grenzwertig“, sagte SG-Trainer Ljubomir Vranjes, während Kollege Velimir Petkovic von erfahrenen Nationalspielern berichtete, die „in der Kabine weinten“, weil sie sich betrogen fühlten.

Vranjes störten allerdings auch die  personellen Verwerfungen bei den Gästen durch  Verletzung und Krankheit sowie den überraschenden Trainerwechsel von Erlingur Richardsson zu Petkovic. „Das ist immer Sch... Du weißt nicht, wer spielt: Drei Rechtshänder im Rückraum, zwei Kreisläufer, junge oder ältere Spieler“, schilderte der SG-Coach seine Not bei der Vorbereitung.

Paul Drux und Steffen Fäth übernahmen abwechselnd bei den Füchsen für Nenadic die Regie, und sie machten es gut gegen die diesmal als 5:1-Formation aufgestellte SG-Deckung, provozierten früh zwei Zeitstrafen für Abwehrchef Tobias Karlsson. „Ich wollte mal etwas Anderes probieren und den Berliner Angriff unter Stress setzen“, so Vranjes, der später aber wieder zur 6:0 zurückkehrte und erst in der Schlussphase – dann sehr erfolgreich – wieder offensiv decken ließ.

Reichlich Stress hatte auch der SG–Angriff, der manches Mal an der robusten Füchse-Abwehr abprallte. „Es war unser 28. Spiel in dieser Saison, wir waren ein bisschen müde. Aber wir sind immer ruhig geblieben. Und wie wir es am Ende gedreht haben, war fantastisch“, sagte Glandorf. Nach der Pause kam Thomas Mogensen als frische Kraft im Rückraum und führte die SG zum ersten und einzigen Drei-Tore-Vorsprung (17:14, 37.) in diesem Spiel. Der hielt jedoch nur kurz, danach waren die Gäste bis zur 56. Minute die bessere Mannschaft, bevor der SG die Wende glückte.

In der Aufregung ging eine weitere Personalie fast unter: Der Schwede Simon Jeppsson kommt im Sommer für den linken Rückraum. Der 2,03-Meter-Hüne hat einen Vertrag bis 2020 unterschrieben. Derzeit spielt der 21-Jährige für den Erstligisten Lugi Lund und steht auch in Schwedens Aufgebot für die WM im Januar.