Stripes
Stripes
Archiv

THW Kiel

Ein Segelschiff schippert auf der nahen, sonnengefluteten Förde. Eine kaiserliche Jacht ziert ein Gemälde an der Hotelwand. Doch die beschauliche Kulisse täuschte. Auf der Saison-Pressekonferenz verkündete der THW Kiel hohe Ziele, sprach zugleich mit großem Respekt über einige Klippen, die in dieser kraftraubenden und keineswegs gemütlichen Saison warten würden. „Bei uns sieht es nicht anders aus als in den letzten Jahren, wir wollen Titel holen“, betonte Trainer Alfred Gislason. Dann setzte er Sorgenfalten auf. Sie resultierten aus dem engen Spielprogramm mit der stärksten Gruppenphase in der VELUX EHF Champions League aller Zeiten – und aus der reduzierten Vorbereitung. Gleich neun Akteure weilten bei den Olympischen Spielen.

Österreichischer Neuzugang: Raul Santos.

In der Tat stotterte der THW-Motor zu Beginn etwas, doch außer der Niederlage im ersten Auswärtsspiel bei der HSG Wetzlar entstand kein Schaden. Auch weil sich die „Zebras“ für die Gesamtdistanz bis Anfang Juni mit einem großen Kader wappneten. Die Namen von 17 Profis sind in die Gehaltsliste eingetragen. Allerdings konnte Christian Dissinger wegen einer Oberschenkel-Blessur noch nicht einmal mitwirken.

Kopf der Mannschaft: Domagoj Duvnjak.

Die größte Überraschung war eine andere Personalie: Christian Zeitz, dessen Konterfei bereits einen Ehrenplatz unter dem Dach der Sparlassen-Arena hat, kehrte nach zwei Jahren in Veszprém zurück an die Ostsee. „Ich hatte in Ungarn Meinungsverschiedenheit mit der Vereinsführung wegen der Vertragsdauer“, bekannte der 35-Jährige. „Als mir nahegelegt wurde, einen neuen Verein zu suchen, machte ich einen Kniefall vor Alfred Gislason und fragte ihn, ob ich wiederkommen darf.“ Er durfte. „Gerade in der Abwehr wird er uns helfen“, glaubt der Coach. Zwischenzeitlich hatte der Isländer vier Rückraum-Linkshänder im Kader. Dann wechselte der Este Dener Jaanimaa nach Melsungen.

Im Zuge eines mehrjährigen Umbruchs lotste der THW einige junge Top-Talente in den Norden, die Alfred Gislason und Co-Trainer Jörn-Uwe Lommel länger beobachtet hatten. Der 19-jährige Österreicher Nikola Bilyk und der nur zwölf Tage ältere Schwede Lukas Nilsson erwiesen sich schnell als Verstärkungen. Bereits 24 Jahre alt ist der Österreicher Raul Santos, der auf Linksaußen als Nachfolger für Dominik Klein verpflichtet wurde. Nach einer Innenband-Verletzung meldete er sich rechtzeitig zur Saison zurück. Überragend das neue Torwart-Gespann: Niklas Landin, in der letzten Serie die Nummer eins, bekam in Europameister Andreas Wolff einen neuen Kollegen, der nur so vor Ehrgeiz brennt. „Unsere Mannschaft hat das Potenzial, alle Spiele zu gewinnen“, tönte der Neuzugang zum Saisonstart und stellte klar: „Ich will mit dem THW das Triple gewinnen.“

Einst im SG Dress: Steffen Weinhold.

Das Umfeld des Rekordmeisters ist für die Titeljagd gerüstet. Mit einem Etat von 9,5 Millionen Euro ist der THW in Handball-Deutschland Marktführer. Der Vertrag mit einem renommierten Ausrüster wurde bis 2022 verlängert, 10.000 Dauer-Abos für die Bundesliga wurden abgesetzt, immerhin 7.000 für die Gruppenphase der VELUX EHF Champions League. Ein Trainingszentrum in der Umlandgemeinde Altenholz soll 2018 fertiggestellt sein. „Der THW ist eine Marke, ja eine Größenordnung für sich in unserem Sport“, erklärt THW-Geschäftsführer Thorsten Storm. Dennoch hat der Manager Befürchtungen, dass sich in der nächsten Serie der Umbau des Teams unfreiwillig verlängert. „Unser größter Feind ist der Terminkalender“, gibt er zu bedenken. Immer mehr Partien auf Top-Niveau und lange Reisen sorgen unter Profis für den zunehmenden Trend, in Länder mit schwächeren und kleineren Nationalligen zu wechseln.