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Vranjes will mehr Liebe für sein Team

(sh:z; Jan Wrege) Als es 1:5 gegen die SG Flensburg-Handewitt stand, platzte Ljubomir Vranjes der Kragen. Auf dem Parkett lieferten seine Spieler gerade ihre bisher schwächste Leistung dieser Saison, auf den Rängen herrschte Schweigen. „Ey, wo ist die Halle?“, rief der SG-Trainer den Zuschauern entgegen, gut vernehmlich im stillen Rund der Flens-Arena. Es wurde noch ein 1:7 (11.) im Spiel der Gruppe A in der Champions League gegen Wisla Plock, bevor sich die „Hölle Nord“ für ihre Handballmannschaft erwärmte und die gewohnte Unterstützung gewährte.

Am Ende des eigenartigen Abends, an dem der Haussegen in der SG-Familie leicht schief hing, stand fast wieder Normalität: Ein 22:20 (9:10)-Sieg des Favoriten aus der Bundesliga gegen Polens Vizemeister. Und die Frage: Wer muss eigentlich zuerst liefern, damit ein Handballfest steigen kann? Die Profis oder die 5077 Besucher, die zwischen zwölf und 41 Euro bezahlt haben und vielleicht auch ein bisschen übersättigt sind von der Inflation der Spiele? Vranjes hat eine klare Meinung: „Wir liegen 1:7 zurück. Die Halle ist tot, wir sind auch tot. Es war nicht in Ordnung – von beiden Seiten. Wenn wir jeden dritten Tag spielen, möchte ich, dass man für die eigene Mannschaft aufsteht. Sonst kann man zu Hause am Fernseher sitzen.“ Der Schwede redete sich in Rage, zumal er „nicht zum ersten Mal“ registrierte, dass sich der „8. Mann“ frei nahm. „Meine Spieler haben es verdient, angefeuert zu werden. Ich liebe meine Mannschaft und sie soll auch Liebe von den Zuschauer kriegen.“

Rechtsaußen Lasse Svan gab die Anfangsphase der Partie ebenfalls zu denken: „Ich fand das ein bisschen ungewöhnlich. Wie alle Mannschaften sind auch wir abhängig vom Druck, den unsere Halle macht – gerade, wenn es mal nicht gut läuft. Die Zuschauer fordern viel von uns. Ich glaube, wir können auch ein bisschen von ihnen erwarten.“ Natürlich sparten Mannschaft und Trainer auch nicht mit Selbstkritik. Vranjes ließ nach dem Spiel ein Donnerwetter los, dass die Kabinenwände wackelten. Svan fand’s okay: „Es ist richtig, dass wir Bescheid kriegen, wenn es unsere eigene Schuld ist. Wir hatten zu Anfang gute Möglichkeiten, nur haben wir die verworfen. Da müssen wir cool bleiben und einfach weiter spielen. Das haben wir nicht gemacht.“

Trotz allem kam nie wirklich das Gefühl auf, dass die Partie gegen Wisla Plock verloren gehen könnte. Daran glaubten selbst die Polen nicht. „Es war klar, dass das nicht so weitergeht“, gab sich Trainer Pjotr Przybecki auch nach der überraschenden Führung keinen Träumen hin. „In entscheidenden Phasen war Flensburg doch cleverer.“ Für ein beruhigendes Gefühl bei den Gastgebern stand insbesondere ein Mann: Torhüter Mattias Andersson hielt seinem schwächelnden Angriff mit 21 Paraden den Rücken frei und ebnete den Weg zum 100. Flensburger Heimsieg auf europäischer Ebene seit 1995.

Es war auch sonst nicht alles ganz schlecht. Im Abwehrzentrum standen Jacob Heinl und Henrik Toft Hansen nach anfänglichen Problemen ihren Mann und vertraten den kurzfristig ausgefallenen Defensiv-Chef und Kapitän Tobias Karlsson zuverlässig. Selbst im Angriff gab es einen Gewinner: Hampus Wanne, tags zuvor noch von Vranjes skeptisch begutachtet, lieferte auf Linksaußen mit fünf Treffern eine Top-Leistung. „Nach dem Spiel in Paris gab es ein Gespräch mit Hampus. Er hat kapiert und es heute sehr gut gemacht“, lobte der Coach.

In gnadenloser Frequenz geht die Handball-Hatz weiter: Am Sonntag die Bundesligapartie in Wetzlar, gefolgt vom bedeutungsschweren Heimspiel im Pokal gegen die Füchse Berlin am kommenden Mittwoch.