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„Das ist schon ein Zeichen“

(sh:z; Jan Wrege) 43. Minute in der Mannheimer SAP-Arena, es steht 16:10 für die SG Flensburg-Handewitt gegen die Rhein-Neckar Löwen: Da fliegt Gedeon Guardiola ungehindert dem SG-Tor entgegen und wirft aus kürzester Distanz, doch Mattias Andersson reißt den linken Fuß auf Kopfhöhe und kickt den Ball aus der Gefahrenzone. Ein Schlüsselmoment im Spitzenspiel der Handball-Bundesliga: Da war dem Meister endgültig klar, dass er gegen den „Vize“ wieder nicht gewinnen würde.

Die SG kommt nach dem 21:17(13:7)-Erfolg auf 8:0 Punkte – ein Traumstart: „Das kann man jetzt sagen. Es ist erst  der vierte Spieltag, aber es ist schön, diesen Sieg im Rücken zu haben. Den Meister auf 17 Tore drücken – das ist schon ein Zeichen“, sagte Trainer Ljubomir Vranjes, der in Anderssons spektakulärer Parade auch eine psychologische Wirkung für seine Mannschaft sah: „Da haben wir wirklich genau gewusst: Wir werden das schaffen.“

Auch mit nur acht eigenen Toren in der zweiten Halbzeit. Die Löwen waren inzwischen die bessere Mannschaft, wie Vranjes einräumte. Doch seine Spieler hatten längst so viel Selbstvertrauen getankt, dass sie nicht mehr zu erschüttern waren. Die Basis dafür hatten sie in der Abwehr gelegt. „Das war überragend. Wir haben die Würfe der Löwen genau dahin bekommen, wo wir sie haben wollten – und Mattias Andersson hat sie gehalten“, sagte Vranjes.

18 Bälle parierte der 38 Jahre alte Schwede. Das macht eine Quote von 51,4 Prozent, was mit dem Prädikat Weltklasse zu würdigen ist. Drei Tage nach dem mäßigen Auftritt gegen den SC Magdeburg demonstrierte der Routinier nachdrücklich, wer die Nummer eins im Tor des Vizemeisters ist. „Unsere Abwehr hat mir sehr geholfen“, bedankte sich  Andersson beim Bollwerk um Tobias Karlsson – fast ein wenig zu bescheiden. Denn er schnappte sich neben dem Guardiola-Versuch etliche weitere freie Würfe und drei Siebenmeter von Schmid, Sigurdsson und Manaskov.

Entgegen kam den Gästen, dass die Löwen aus dem spielerischen Aufschwung nach miserabler erster Hälfte wenig machten. „Wir haben den Fehler gemacht, dass wir in zehn Minuten den Rückstand aufholen wollten. So haben wir zu überhastet agiert“, kritisierte Löwen-Trainer Nikolaj Jacobsen. Drastischer äußerte sich der sonst so brillante Spielmacher Andy Schmid: „Das war von A bis Z beschissener Handball.“

Die Flensburger hätten durchaus in Bedrängnis geraten können, denn vorn lief es auch bei ihnen zäh. Es gab zauberhafte Momente wie eine Passfolge auf Rechtsaußen Lasse Svan mit jeweils nur einer Ball-Berührung oder eine Unterhand-Peitsche von Petar Djordjic, bei der der Ball erst nach dem Einschlag wieder zu sehen war. Oft aber prallten die Offensivbemühungen der Flensburger an der soliden Löwen-Deckung ab.

Die Bestnote als Feldspieler verdiente sich Holger Glandorf mit einer Top-Leistung in der Abwehr und als eiskalter Schütze in den richtigen Momenten. Auch Thomas Mogensen und Kentin Mahé überzeugten als hartnäckige Antreiber. Die SG machte noch das Beste aus der zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison noch nicht perfekt funktionierenden Offensive. „Gegen Magdeburg haben wir noch viele Tempogegenstöße bekommen. Das haben wir heute mit einem sehr diszipliniertem Angriff unterbunden“, meinte Torhüter Andersson. Auch das  Rückzugsverhalten stimmte wieder, die zweite Welle der Löwen war nahezu neutralisiert. Vranjes bereitete die Konkurrenz schon mal auf eine noch stärker SG vor: „Es wird gern vergessen, dass Rasmus Lauge und Jim Gottfridsson immer noch fehlen. Wir haben im Angriff noch nicht alles gezeigt – das spricht für unsere Zukunft.“

Wäre noch aufzuklären, warum es kein Sieg mit fünf Toren Differenz wurde: In den letzten Siebenmeterwurf von Anders Eggert hinein ertönte die Schlusssirene. Weil alles geklärt war im Spiel, hatte es keinen Timeout gegeben. Die Uhr war weitergelaufen, und Eggert war einerseits zu schnell, um das Ende und die dann erlaubte Ausführung  des Strafwurfs  abzuwarten – oder andererseits nicht schnell genug, um in der Zeit zu treffen.