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Es kann nur einen geben

(sh:z; Jan Wrege) Mindestens sechs Mal, vielleicht auch sieben Mal werden sich in dieser Handball-Saison der THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt messen. Doch das Spiel heute (18.45 Uhr) im Viertelfinale des DHB-Pokals sticht wegen seiner immensen Bedeutung aus der Derby-Inflation heraus. In der 86. Auflage des Klassikers geht wie immer ums Prestige,  darüber hinaus  aber auch um handfeste wirtschaftliche Belange. Die Teilnahme am Final Four am 30. April und 1. Mai 2016 in Hamburg  garantiert nicht nur eine direkte sechsstellige Einnahme, sondern stärkt auch den Markenwert des Klubs. Hier werden Weichen gestellt. Für Mannschaften auf dem Niveau der schleswig-holsteinischen Spitzenklubs ist es beinahe Pflicht, bei der Kultveranstaltung des deutschen Handballs dabei zu sein – aber es kann nur einen geben.

Finanziell steht schon ein Sieger fest. Der THW streicht den Löwenanteil der Einnahmen in der ausverkauften Kieler Arena ein, sehr zum Verdruss der SG, die mit läppischen 7500 Euro nach Hause fährt. Seit dieser Saison wird der Gewinn nicht mehr geteilt, der Gast bekommt nur noch ein paar Spesen.

Auf dem Spielfeld werden solche Nebengeräusche aber kaum eine Rolle spielen, da werden Adrenalin getränkte Protagonisten nur einen Gedanken haben: den Erzrivalen auf dem Weg zum großen Handballfest aus dem Weg räumen. „Das Spiel wird hochemotional, und es geht um richtig viel: Wir wollen nach Hamburg!“, sagt etwa Kiels Linksaußen Dominik Klein. Auch SG-Trainer Ljubomir Vranjes unterstreicht die Bedeutung dieser Partie: „Es ist so wichtig für alle. Für Fans, Sponsoren, für den Verein. Meine Spieler wollen alle wieder ins Final Four, nachdem wir fünf Jahre hintereinander dabei waren.“

Favorit ist allerdings nicht der Cupverteidiger aus Flensburg, sondern der Rekordpokalsieger THW, der die letzten zwei Endrunden an der Elbe verpasst hat. Jedenfalls, wenn es nach der Statistik geht: Von bisher zwölf Pokalderbys gingen neun an den Branchenführer, nur drei Mal setzte sich die SG durch. Siege im SG-Trikot in Kiel sind sämtlichen aktuellen Flensburger Akteuren unbekannt. Selbst für Vranjes wäre es eine Premiere, der Schwede spielte noch in Nordhorn, als die Flensburger vor fast zehn Jahren (28. Februar 2006) zuletzt in der Ostseehalle erfolgreich waren.

Nach bisher drei gespielten Derbys in dieser Saison steht es 2:1 für die Kieler, die den Supercup in Stuttgart und das Heimspiel in der Champions-League-Gruppe A gewannen. Die SG hingegen siegte im Bundesliga-Heimspiel. Schon in den „normalen“ Derbys geht es hoch her, doch „ein K.o.-Spiel fühlt sich noch anders an“, sagt Vranjes. „Wenn man jeden dritten Tag spielt, steckt man in den Punktspielen vielleicht nicht 100 Prozent in jedes kleine Detail. Das ist hier anders. Du machst Sachen, die du in Punktspielen nicht machst.“ Was genau, verrät der Tüftler nicht, aber er hat natürlich wieder jeglich verfügbares Videomaterial über die Kieler aufgesogen („Manche Spieler sind gut drauf, andere weniger“) und richtet daran seine Strategie aus.

Im Blickpunkt stehen heute wieder zwei prägende Figuren. Welcher Spielmacher wird sein Team nach Hamburg führen, Domagoj Duvnjak oder Thomas Mogensen? Sowohl der Kroate im THW-Dress als auch der Däne auf Flensburger Seite waren zuletzt angeschlagen. Duvnjak biss sich beim Sieg in Leipzig mit einem Außenbandriss durch. Mogensen konnte in den vergangenen Wochen nur eingeschränkt trainieren. Keine akute Verletzung, aber: „Er hat seit 2011 fast durchgespielt. Er ist nicht jünger geworden, der Körper tut weh“, sagt Vranjes, „aber Thomas trainiert wieder. Ich hoffe, er ist auf einem guten Weg.“  Bei der SG fehlen die Langzeitverletzten Jacob Heinl, Anders Zachariassen und Jim Gottfridsson.  Auch Johan Jakobsson hat nach einer Bauchmuskelzerrung noch immer Schmerzen, so dass Holger Glandorf im rechten Rückraum weiter allein ist. Der THW muss voraussichtlich nur auf Kreisläufer Patrick Wiencek verzichten.