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KS Vive Tauron Kielce

Die pompöse Kathedrale mit einer großen Schatzkammer, das Kloster auf dem Karczowka-Hügel oder das altehrwürdige Rathaus sind Sehenswürdigkeiten, mit denen die Stadt Kielce bei Touristen punktet. Die 200.000 Einwohner zählende Metropole, die 180 Kilometer südlich von Warschau liegt, besitzt aber auch zwei sportliche Trumpfkarten. Zum einen die Fußballer von Korona Kielce, zum anderen die Handballer von KS Vive Tauron Kielce. Zeitweise waren die beiden Teams in einer gemeinsamen Vereinsstruktur miteinander verbandelt, denn die Ballwerfer firmierten seit ihrer Gründung zumeist als MKS Korona oder Iskra.

Tobias Reichmann

Sie tauchten 1975 erstmals in der Erstklassigkeit auf, etablierten sich dort seit 1984 und fuhren 1993 die erste polnische Meisterschaft ein. Als der Klub auf dem Weg war, das halbe Dutzend voll zu machen, stieg Bertus Servaas als Präsident ein. Der gebürtige Niederländer hatte sich 1991 in Polen niedergelassen, nutzte den frischen ökonomischen Wind in Polen und baute mit „Vive“ einen Markführer im Textil-Recycling auf. Aus seiner Sportaffinität machte er nie ein Geheimnis, erzählte gerne von seinen Erfahrungen bei Ajax Amsterdam, wo er Ende der 70er Jahre Fußball spielte. Aber von seiner alten Lieblingssportart ließ er die Finger. „Fußball ist mir zu teuer“, erklärte Bertus Servaas. „In Kielce wird der Handball gelebt.“

Karol Bielecki.

Besonders erfolgreich wurden die Gelb-Blauen ab 2009, als sie das Geschehen in der polnischen Superliga zu beherrschen begannen und seitdem weitere sechs Titel einfuhren. Nur 2011 hatte Wisla Plock einmal überraschend das Kielcer Dauer-Abo durchbrochen. Die neue Dominanz beeinflusste Bertus Servaas direkt mit größeren Finanzspritzen aus dem eigenen Haus. „Ich habe gesagt, dass ich mich engagiere, wenn das Ziel ist, die Champions League zu gewinnen.“ Inzwischen kreuzte Kielce zwei Mal am Rhein auf: 2013 und 2015.

Manuel Strlek

Das hat Geschmack auf mehr gemacht. Der Präsident und Mäzen bastelt an den Strukturen im Umfeld. So soll die erst 2006 eingeweihte, eigene Heimspielstätte „Hala Legionow“ mit einem Fassungsvermögen von 4200 Zuschauern ausgebaut werden. „Wir haben Pläne für eine Arena mit 8200 Plätzen in der Schublade“, erklärt Bertus Servaas. „Bis jetzt haben wir die Unterstützung der Stadt Kielce, der ganzen Region, den Sponsoren und Fans. Wir warten nun auf das Ministerium für Sport und Tourismus.“ Die Popularität ist in jedem Fall groß. Ein Showkampf gegen Paris Saint-Germain lockte Ende August 15.000 Zuschauer in die Krakau-Arena.

Die wachsende Potenz zeigte sich auch an der Qualität der Mannschaft und des Trainerstabs. 2008 stieg die polnische Handball-Legende Bogdan Wenta, die von 2000 bis 2006 für die SG Flensburg-Handewitt tätig war, als Coach ein. Als ein Jahr später Mariusz Jurasik (Rhein-Neckar Löwen) und Rastko Stojkovic (HSG Nordhorn-Lingen) verpflichtet werden konnten, war ein Signal gesetzt, dass Vive Kielce mit der Bundesliga-Spitze um die besten Spieler konkurrieren kann. Anfang 2014 übernahm Talant Dujshebaev das Kommando auf der Trainer-Bank. Bogdan Wenta wurde Geschäftsführer, um dann als Abgeordneter des Europäischen Parlaments zwischen Straßburg und Kielce zu pendeln.

Krzysztof Lijewski.

Längst haben die Stützen der polnischen Nationalmannschaft bei KS Vive Kielce das Sagen. Karol Bielecki, Michal Jurecki und Krzysztof Lijewski erzeugen viel Wurfkraft aus der zweiten Reihe. Torwart Slawomir Szmal ist seit Jahren in der europäischen Spitze und war einst für die Rhein-Neckar Löwen und den TuS N-Lübbecke im Gehäuse. Spielmacher Grzegorz Tkaczyk erlitt Ende November eine schwere Schulter-Blessur, erlebte die jüngste Europameisterschaft nur als TV-Experte und wird wohl bis zum Ende der Saison ausfallen.

In eine Personalnot uferte diese Verletzung allerdings nicht aus. Mit dem Slowenen Uros Zorman hat KS Vive Kielce eine routinierte Alternative zur Hand, zumal auch einige internationale Top-Kräfte den Kader bereichern. Zum Beispiel den spanischen Top-Kreisläufer Julen Aguinagalde, den kroatischen Linksaußen Manuel Strlek oder den kroatischen Linkshänder Denis Buntic. Den rechten Flügel teilen sich ein weiterer Kroate, Ivan Cupic, und Tobias Reichmann, der Europameister, der im Januar die deutschen Fans mit einer hervorragenden Effizienz begeisterte. Mit dem Wechsel von Piotr Grabarczyk nach Deutschland musste die 6:0-Deckung umgebaut und Neuzugang Mateusz Kus integriert werden.