Stripes
Stripes
Archiv

THW Kiel

Einen Tag nach den großen Feierlichkeiten in Berlin bereiteten die Fans des THW Kiel ihren Lieblingen einen großen Empfang. Steffen Weinhold, Christian Dissinger und Rune Dahmke betraten eine Veranstaltungshalle direkt am Hafen, plauderten munter über die Ereignisse in Polen und gaben eifrig Autogramme. Derweil wussten die Funktionäre des Klubs, dass die derzeitige Handball-Euphorie auch ihrem Klub positive Impulse verleihen würde. Denn die „Zebras“ haben immerhin drei Europameister in ihren Reihen, mit dem verletzten Patrick Wiencek gibt es einen vierten deutschen Nationalspieler, und ein fünfter ist für die nächste Serie im Anflug: Torwart-Komet Andreas Wolff.

Blazenko Lackovic: Nun in Kiel.

In den nächsten Wochen wird allerdings nur ein EM-Held beim deutschen Meister aktiv ins Geschehen eingreifen: Rune Dahmke. Dagegen erlitten Steffen Weinhold und Christian Dissinger im EM-Spiel gegen Russland Blessuren, die einen längerfristigen Ausfall zur Folge haben werden. Länger als ursprünglich gedacht. Steffen Weinhold laboriert an einem Muskelabriss im Oberschenkel und fällt womöglich den Rest der Saison aus. Bei Christian Dissinger wurde nun ein Muskelbündelriss diagnostiziert, der um die acht Wochen zur Heilung benötigt. THW-Coach Alfred Gislason stöhnte auf und erneuerte seinen Kampf gegen den übervollen internationalen Termin-Kalender, der mit seinen Belastungen eine Verletzungswelle geradezu provoziert. „Vor acht Jahren saß ich mal in einer illustren Runde“, erzählte der Isländer angesäuert. „Da hieß es, bis 2016 wären alle Turniere schon fixiert, bis dahin sei nichts mehr zu ändern. Nun haben wir 2016, es gibt noch mehr Termine und Spiele, aber keine Anzeichen für eine Reduzierung.“

Die Kieler wurden in den letzten Wochen arg gebeutelt, mussten immer wieder auf dem Transfermarkt reagieren. Den Anfang machte unmittelbar vor der Saison der langjährige „Leitwolf“ Filip Jicha, der sich in Barcelona einen entspannten Karriere-Abend wünschte. Der THW holte den Norweger Erlend Mamelund. „Er wird uns helfen, aber wird nicht derjenige sein, der die von Filip Jicha hinterlassene Lücke schließen wird“, erklärte Alfred Gislason. „Das muss das ganze Team gemeinsam bewerkstelligen.“ Domagoj Duvnjak und Joan Canellas waren auf dem Spielfeld hauptsächlich gefordert.

Marko Vujin.

Danach ging es mit den Personalien munter weiter. Der Ex-Göppinger Dragos Oprea heuerte im Herbst als zweiter Linksaußen an, da Dominik Klein und Torsten Jansen pausieren mussten. Im Oktober kam Kreisläufer Igor Anic für Patrick Wiencek, der einen Kreuzbandriss zu beklagen hatte. Direkt nach Weihnachten erwischte es auch Kapitän Rene Toft Hansen. Bei ihm riss fast alles im Knie. Der THW bediente sich vor Kurzem zwei Mal aus der Insolvenzmasse des HSV Hamburg: Der estnische Linkshänder Dener Jaanimaa und der kroatische Kreisläufer Ilija Brozovic ziehen sich nun das Zebra-Dress über. „Sie sind nur Ersatz, von ihnen kann man nicht das höchste Leistungsniveau erwarten“, erklärt THW-Manager Thorsten Storm. Dennoch wird Ilija Brozovic aus mangels an Alternativen im Abwehrzentrum gefordert sein. Zu guter Letzt nahmen die Kieler den routinierten kroatischen Halblinken Blazenko Lackovic, der von 2004 bis 2008 das SG Trikot getragen hatte, unter Vertrag. Zuletzt spielte der 35-Jährige für Vardar Skopje.

Fast logisch: In den letzten Monaten gab es Rückschläge. Zum dritten Mal in Folge wurde das Final Four um den DHB-Pokal verpasst, in der VELUX EHF Champions League wird kaum mehr als Rang vier in der Gruppenphase herausspringen. Immerhin: In der DKB Handball-Bundesliga sammelte der THW schnell sechs „Miese“, aber seit Anfang Oktober, seit dem 20:24 bei den Rhein-Neckar Löwen, hat er nicht mehr verloren.

Joan Canellas.

Deshalb haben die Norddeutschen die Titelverteidigung trotz aller Probleme noch nicht abgeschrieben. „Die Fitness wird am Ende der Saison entscheidend sein“, glaubt Thorsten Storm. „Da haben wir im Moment zwar nicht so gute Karten, in den nächsten Wochen werden wir uns aber voll auf die DKB Handball-Bundesliga fokussieren.“ Ein Vorteil: Erst Ende März muss der THW eine Auswärtspartie bestreiten, bis dahin versucht er sich in den Heimspielen durchzuschlagen. Und perspektivisch scheint über Kiel die Sonne zu scheinen: Leistungsträger wie Domagoj Duvnjak und Christian Dissinger haben bis 2020 verlängert. Mit den Österreichern Nikola Bilyk und Raul Santos, dem Schweden Lukas Nilsson und natürlich Andreas Wolff  kommen etliche Spieler, denen höchstwahrscheinlich die Zukunft gehören wird.