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Starkes Spiel reicht nicht zum Sieg

(sh:z; Hans-Werner Klünner)  Als Ljubomir Vranjes zum Mannschaftsbus kam, empfing ihn eine kleine Fan-Gruppe, um ihm ein Geburtstagsständchen zu bringen. Der Schwede bedankte sich brav für die guten Wünsche zum vollendeten 42. Lebensjahr. Aber zwei Punkte im 85. Landesderby beim THW Kiel wären dem Trainer der SG Flensburg-Handewitt lieber gewesen. In der Vorrunde der Champions League hatten sich die Flensburger den „Zebras“ nach einem mitreißenden Match mit 23:27 (13:14) geschlagen geben müssen.

Die Kieler Spieler tanzten auf dem Spielfeld, die THW-Anhänger sangen so laut wie lange nicht mehr „Oh, wie ist das schön“ – als hätte der deutsche Meister gerade das Finale der Königsklasse gewonnen. Doch die Siegesfreude wurde durch den Ausfall von Patrick Wiencek getrübt. Der  Kreisläufer war in der 13. Minute nach einem Zweikampf mit Rasmus Lauge liegen geblieben und hatte das Spielfeld vorzeitig humpelnd verlassen müssen. „Patrick wird sehr lange ausfallen, und das wird uns richtig treffen“, sagte THW-Trainer Alfred Gislason mit bitterer Miene. Bei einer ersten Diagnose hatte Mannschaftsarzt Dr. Detlev Brandecker eine Instabilität im rechten Knie festgestellt – Verdacht auf Kreuzbandriss. Sollte sich das heute bei einer Kernspintomographie bestätigen, würde der Nationalspieler auch für die Handball-EM im Januar in Dänemark ausfallen.

Im 85. Derby hatten Kiel und Flensburg den Zuschauern ein echtes Spektakel geboten – mit allen Zutaten, die diese Spiele immer wieder auszeichnen: Kampf, Leidenschaft, Emotionen, Tempo und Wechselbäder der Gefühle für die Fans. „Das war ein großartiges Handballspiel, eine tolle Werbung für unsere Sportart“, meinte Gislason. „Das war unser bestes Spiel seit langem in Kiel“, sagte Vranjes. Zu einem Sieg im Tempel des deutschen Handballs hatte es für den Pokalsieger aber wieder einmal nicht gereicht. „Die Chancen waren da, aber wir  haben zu viele technische Fehler gemacht“, analysierte der SG-Trainer. Die Ursache dafür sah Gislason in der Kieler Abwehr. „Da haben wir über 60 Minuten großartig gestanden.“

Die Geschichte in diesem Derby hatten aber zwei Torhüter geschrieben, die eigentlich in der zweiten Reihe stehen: Kevin Möller, der bei der SG gegen Routinier Mattias Andersson bisher kaum eine Chance hatte und zumeist auf der Bank saß, und Nikolas Katsigiannis, der beim THW als Backup für Niklas Landin verpflichtet wurde, bis im nächsten Jahr Andreas Wolff aus Wetzlar kommt. Er ist aber auf dem besten Wege, dem dänischen Torhüterstar den Stammplatz streitig zu machen.

Möller war der Mann der ersten Halbzeit. Zwölf Würfe parierte der 26-jährige Däne, darunter zahlreiche so genannte „Freie“ und einen Strafwurf von Marko Vujin. Besonders vom Kreis war der SG-Keeper unbezwingbar. Bei fünf Versuchen erzielten Wiencek und René Toft Hansen null Tore. „Ich habe ein paar Sachen gut gemacht, aber es gibt noch viele, in denen ich besser werden kann“, meinte Möller selbstkritisch und spielte damit auf die zweite Halbzeit an, in der er nicht mehr dieses Niveau erreichte.

Die zweiten 30 Minuten und insbesondere die Schlussphase gehörten eindeutig seinem Gegenüber Nikolas Katsigiannis, der in der 26. Minute den glücklosen Landin im Kieler Kasten abgelöst hatte. Der Ex-Nationaltorhüter, den die Handballer respektvoll „Katze“ nennen, wehrte in der entscheidenden Phase freie Würfe von Eggert, Svan, Mahé und Mogensen ab und hatte damit entscheidenden Anteil daran, dass der THW zwischen der 50. und 56. Minute von 21:21 auf 25:21 davonzog. „Unsere Fans haben uns zu dieser Leistung getragen. Heute hat man gesehen, wie wichtig der Heimvorteil sein kann“, sagte Katsigiannis.

Die Flensburger trauerten nicht nur vergebenen Chancen nach, sie ärgerten sich zudem über unnötige Fehler in den Schlussminuten beider Halbzeiten, die den Kielern den Weg zum Derbysieg geebnet hatten. „Vielleicht kriege ich irgendwann dafür auf die Fresse, aber ich werde an meinem Konzept festhalten“, betonte Vranjes. Der Trainer hatte nicht nur Möller den Vorzug vor Andersson gegeben, sondern auch Hampus Wanne die ersten 41 Minuten auf Linksaußen spielen lassen und erst dann Anders Eggert gebracht. Auch Kentin Mahé durfte in der Schlussphase durchspielen, obwohl der Franzose zeitweise äußerst unglücklich agierte. „Ich habe gesagt, dass ich meinen Spielern das Vertrauen gebe, weil ich über die gesamte Saison alle brauchen werde. Irgendwann muss ich damit ja anfangen“, so Vranjes.