Stripes
Stripes
Archiv

Erstes Ligator nach 96 Sekunden

(sh:z; Hans-Werner Klünner) Tosender Beifall für Neuzugang Kresimir Kozina und  stehende Ovationen für die Mannschaft nach dem Schlusspfiff – die SG Flensburg-Handewitt hat mit dem souverän herausgespielten 29:21 (15:8) über den TBV Lemgo vorerst Rang zwei in der Handball-Bundesliga übernommen. Auch Trainer Ljubomir Vranjes war mit dem Auftritt seiner Mannschaft weitgehend einverstanden, nach dem Geschmack des Schweden hatte sein Team gegenüber den Ostwestfalen nach der klaren 20:12-Führung (40. Minute) aber zu viel Gnade walten lassen. „Wir hätten in den letzten 20 Minuten konsequenter in Richtung Tor gehen können“, monierte der 42-jährige Schwede.

Der deutsche Pokalsieger hatte den TBV Lemgo in den 60 einseitigen Minuten in jeder Sekunde beherrscht. Ein Prüfstein war der deutsche Ex-Meister zu keinem Zeitpunkt gewesen. Zu limitiert waren die spielerischen und taktischen Möglichkeiten der Gäste, bei denen einzig der Ex-Berliner Jonathan Stenbäcken ansprechendes Bundesliga-Niveau erreichte.„Dort hat sich viel verändert“, meinte Holger Glandorf, der bis 2011 selbst beim TBV gespielt hatte.  Seit die Sponsorengelder in Ostwestfalen nicht mehr fließen, kann sich der Club keine Stars mehr leisten, konzentriert sich darauf, junge Spieler zu entwickeln. „Wir hatten viel zu viel Respekt vor der Flensburger Abwehr, das Spiel war zur Pause schon entschieden“, erkannte TBV-Coach Florian Kehrmann die Überlegenheit der Gastgeber neidlos an, vermied dabei aber bewusst das Wort Klassenunterschied.

Wenn die Flensburger auch in den zweiten 30 Minuten ihr Spiel voll durchgezogen hätten, wäre die Reise in den Norden für die Ostwestfalen wohl zu einem Debakel geworden. Doch nach gut 40 Minuten begann Vranjes, sein Team durchzumischen. Für Spielmacher Thomas Mogensen und Shooter Holger Glandorf war der Arbeitstag  nach dem 20:12 beendet. Linksaußen Anders Eggert wurde komplett geschont, trat nur zu acht Siebenmetern an, die er allesamt verwandelte – und war damit der beste SG-Werfer, ohne mitgespielt zu haben. „Ich kann mich nicht erinnern, schon einmal acht Tore praktisch von der Bank aus gemacht zu haben“, meinte der Däne mit einem Lächeln.

Trotz der Rotation blieb die SG-Abwehr mit einem starken Mattias Andersson dahinter stabil. „21 Gegentore in 60 Minuten sind absolut okay“, lobte Vranjes seine Defensive. Dass sich seine Spieler in der Offensive unvorbereitete Würfe nahmen (insgesamt 19 Fehlversuche) und sich einige technische Fehler leisteten, missfiel dem Trainer allerdings: „Egal ob wir mit sieben Toren führen oder mit zwei hinten liegen, wir müssen Konsequenz und Disziplin haben. Daran müssen wir arbeiten und uns steigern. Das ist kein großes Problem, aber ein wichtiges Detail.“

Ein gelungenes Debüt im SG-Trikot feierte Kresimir Kozina. Der Neuzugang vom österreichischen Meister Alpha Hard benötigte genau 96 Sekunden für sein erstes Bundesliga-Tor. Nach 28:14 Minuten eingewechselt, traf der 25-jährige Kreisläufer nach 29:50 Minuten zum 15:8-Pausenstand. In den letzten 13 Minuten der zweiten Hälfte bei seinem zweiten Kurzeinsatz war er zwar nicht mehr erfolgreich, holte aber zwei Siebenmeter heraus. „Ich habe von ihm einige gute Sachen gesehen“, meinte Vranjes, „aber auch einige, über wie wir sprechen müssen.“ Insgesamt war der SG-Trainer mit dem Zachariassen-Ersatz zufrieden. „Aber wir müssen abwarten.“ Nicht nur Schulterklopfen, auch aufmunternde Worte für Kozina gab es von den Mitspielern. „Er konnte nicht lange spielen, da wir bestimmte Sachen mit ihm noch einüben müssen. Aber es war schon eine gute Leistung von ihm“, meinte Anders Eggert. Und was sagte Kozina zu seinem ersten Auftritt in der Flens-Arena? „Die Fans und die Mannschaft tragen dich. Das war ein wirkliches tolles Gefühl. Alle unterstützen mich dabei, so schnell wie möglich ins Team zu kommen. Von daher war es leicht für mich nach nur zwei Trainingseinheiten.“

„Kresimir kann uns helfen“, befand auch Dierk Schmäschke. Der Geschäftsführer freute sich nicht nur über 6000 Zuschauer an einem Mittwoch, sondern vor allem darüber, „dass ein Rad immer besser ins andere greift. Wir sind auf einem guten Weg.“ Auf dem befinden sich laut Vranjes insbesondere die jungen SG-Außen Hampus Wanne und Bogdan Radivojevic. Wanne hatte auf Links einen beherzten Auftritt hingelegt und vier Tore zum Erfolg beigesteuert. Radivojevic musste zwar zuschauen, hatte aber zuletzt Lasse Svan auf Rechts würdig vertreten. „Beide machen ihre Sache sehr gut“, lobte Vranjes. „Ich habe keine Angst, Bogie und Hampus in ein Spiel zu schmeißen. Ich habe großes Vertrauen zu ihnen.“ Am Sonntag in der Champions League bei Wisla Plock werden die beiden Nachwuchsspieler aber zunächst wohl wieder Anders Eggert und Lasse Svan den Vortritt lassen müssen.