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Die Flensburger „Joker“ stechen

(sh:z; Hans-Werner Klünner) Das Trikot mit der Nummer 40 lag bereit. Doch Ljubomir Vranjes musste selbst nicht eingreifen. Seine SG Flensburg-Handewitt schaffte in der Handball-Bundesliga auch ohne Sechs einen 25:21 (13:13)-Heimsieg gegen den TuS N-Lübbecke und verdrängte mit dem ersten Heimsieg im Jahr 2015 den SC Magdeburg wieder vom dritten Tabellenplatz, der für die neue Saison eine Wildcard für die Champions League bedeuten könnte. „Das war kein schöner Handball“, bekannte der SG-Trainer. „Aber mir hat imponiert, wie meine Jungs 60 Minuten gekämpft haben.“ Auch Geschäftsführer Dierk Schmäschke war voll des Lobes. „Die Spieler zeigen ein unglaublich großes Herz.“

Angesichts der jüngsten Ausfälle von Thomas Mogensen, Lasse Svan und Lars Kaufmann hatte sich bei der SG nach der Heimniederlage gegen Magdeburg tiefe Depression breit gemacht. Doch die hat sich in wenigen Tagen in Trotz verwandelt. „Wir sind enger zusammengerückt“, sagte Drasko Nenadic, auf dem derzeit im linken Rückraum fast die gesamte Verantwortung lastet. Die scheint den jungen Serben eher zu beflügeln als zu bremsen. Er zeigte in Defensive und Offensive eine starke Leistung, gehörte zu den Aktivposten in einem SG-Team, in dem jeder für jeden kämpfte. Die Gastgeber wollten diesen Sieg, das war an diesem Abend deutlich zu spüren. „Wir wollen uns durch die Verletzungen die Saison nicht verhageln lassen“, unterstrich Schmäschke.

Die Basis für den Sieg legten die Gastgeber nach der Pause mit einer bärenstarken Abwehr. Nachdem die SG in den ersten 30 Minuten einige unnötige Gegentreffer aus dem Rückraum kassiert hatte (Tobias Karlsson: „Da waren wir zu passiv“), agierte der Champions-League-Sieger im zweiten Durchgang hinten wesentlich aggressiver und kassierte in 21 Minuten ganze vier Gegentore. „Das haben wir den TuS in den Griff gekriegt“, so der SG-Kapitän. „Und was wir nicht geschafft haben, hat Mattias dann gehalten.“ Frei nach der Formel: Steht die Abwehr, hat es der Torhüter einfacher. 17 Paraden standen am Ende für Mattias Andersson zu Buche. „Vier Tore in 21 Minuten waren einfach zu wenig“, bemängelte TuS-Coach Dirk Beuchler. „Wir haben keine Lösungen gegen diese 6:0-Abwehr gefunden.“

Dennoch durften die Gäste bis zur 44. Minute beim 17:18 von einer Überraschung träumen. Dann allerdings stachen die Flensburger „Joker“. Der 19-jährige Michael Nicolaisen aus dem Junior-Team und Neuzugang Ahmed Elahmar avancierten dabei zu den spielentscheidenden Figuren. Nicolaisen erzielte bei seinem Bundesliga-Debüt für die  SG die Treffer zum 19:17 und 20:17. Anschließend spielte Elahmar Rechtsaußen Bogdan Radivojevic frei, der zum 21:17 traf. Und nach dem 22:17 von Nenadic machte der Ägypter mit seinem Treffer zum 23:17 den Deckel drauf. Auch die letzten beiden SG-Treffer gingen auf sein Konto. Eine schiefe 5:1-Deckung des TuS gegen ihn hatte Elahmar nicht beeindrucken können. „Ahmed kommt mehr und mehr ins Spiel. Ich spüre, dass er für uns erfolgreich sein will“, lobte der Trainer seinen Winter-Neuzugang. Doch noch mehr freute ihn der  freche Auftritt des jungen Nordfriesen Michael Nicolaisen. „Es macht mir unglaublich viel Spaß, seine Jugend zu sehen und wie er mit Verantwortung umgeht.“

Schon während des Spiels hatte der verletzte Holger Glandorf dem Youngster anerkennend auf die Schulter geklopft. Nach dem Schlusspfiff folgten Glückwünsche von zahlreichen SG-Fans. „Mein Saisonziel war, ein Bundesliga-Spiel zu machen. Dass ich auch noch zwei Tore erzielt habe, freut mich doppelt“, sagte der 19-Jährige, der bisher sporadisch in der Champions League und im DHB-Pokal zum Einsatz gekommen war. „Für seine 19 Jahre macht Michael einen super Eindruck“, lobte Karlsson die „Aushilfe“ aus dem Junior-Team. „Er hat alle Fähigkeiten ein guter Handballer zu werden. Es liegt allein an ihm.“ Jetzt hofft Nicolaisen, auch am Sonnabend beim Tabellenzweiten Rhein-Neckar Löwen dabei zu sein. „Das würde ich auf jeden Fall mitnehmen“, sagte das SG-Talent. „Denn nur durch Spielpraxis kann ich weiter lernen.“