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Kiel scheitert am Phänomen Mattias Andersson

(sh:z; Jan Wrege) Der Held des Tages mischte sich unter die Fans auf der größten Stehtribüne der Handball-Bundesliga. Auch dort hatte Mattias Andersson alles unter Kontrolle, dirigierte den Jubelchor, während unten die Mitspieler Freudentänze aufführten. Wieder hatte der Torhüter der SG Flensburg-Handewitt im Winter-Derby gegen den THW Kiel eine Weltklasse-Leistung geboten, vor der sich Freund und Feind verneigten.

„Gefühlt hat Mattias Andersson das Spiel alleine gewonnen“, sagte Gäste-Trainer Alfred Gislason nach dem 26:22 (15:11)-Erfolg der Flensburger im 80. Landesderby. Und der neue Kieler Manager Thorsten Storm fügte an: „Ich ziehe den Hut davor, dass Mattias in diesen Spielen immer wieder so eine Leistung abruft. Das ist ein ganz besonderer Torwart.“ 23 Würfe parierte der 36 Jahre alte Schwede, davon zwei Siebenmeter und etliche weitere aus unbedrängter Situation. Vor allem rettete er die SG, als sie in der zweiten Halbzeit mehrfach in Unterzahl geriet und der THW bedrohlich aufkam.

Anderssson kommentierte seine Vorstellung wie üblich abgeklärt und vergaß nicht, dass er einen Mannschaftssport betreibt: „Vielleicht liegen mir die Kieler einfach. Ich bin sehr stolz darauf, aber auch darauf, wie die Mannschaft aufgetreten ist. Wir sind alle sehr konzentriert gewesen und haben genau das gemacht, was abgesprochen war.“

Auch bei Andersson mischte sich Bitternis in die Freude, als das Ausmaß der Verletzung von Holger Glandorf bekannt war. „Es ist schlimm, wenn ein Mitspieler das Feld nicht auf eigenen Füßen verlassen kann“, sagte der Schwede, der sich in seiner seit Jahren immer wieder geäußerten Kritik am Spielplan bestätigt sieht: „Im Dezember sind immer unglaublich viele Spiele. So eine Verletzung ist kein Zufall.“ Dennoch forderte der Keeper, sich nicht unterkriegen zu lassen: „Wir müssen diesen Sieg auch genießen. Das ist etwas Einmaliges.“

Beim Blick aufs Personal lagen die Vorteile eindeutig beim  THW Kiel, der sieben Rückraumspieler zur Wahl hatte. SG-Trainer Ljubomir Vranjes musste mit vier Kräften in der zweiten Reihe haushalten. Alfred Gislason nutzte früh alle Ressourcen, wohl in der Hoffnung, dass die Kräfte der SG in der zweiten Halbzeit erlahmen müssten. Doch der Kieler Angriff fand in ständig wechselnden Formationen  keine Linie. „Wir haben den Plan verloren“, bekannte Filip Jicha, der nach langer Verletzungspause noch wie ein Fremdkörper wirkte. Ebenso wie Welthandballer Domagoj Duvnjak blieb Jicha ohne Treffer, dem Halblinken Joan Canellas glückte nur ein Feldtor – das wirft ein Schlaglicht auf die großartige Abwehrleistung der von Vranjes perfekt vorbereiteten SG. Aus Kombinationen gelang den Kielern wenig. Da waren die individuellen Glanztaten von Aaron Palmarsson und Marko Vujin für die Gastgeber zu verschmerzen.

Gislason hatte die Probleme kommen sehen: „Schon in den letzten beiden Spielen ging unsere Leistungskurve nach unten.“ Torhüter Johan Sjöstrand, dessen Wechsel nach Melsungen zur kommenden Saison  gestern bekanntgegeben wurde, bekam wenig zu fassen und wurde kurz vor der Pause vom deutlich stärkeren Andreas Palicka abgelöst. Doch auch er konnte die Flensburger nicht so beeindrucken, wie es seinem Landsmann Andersson gegen die Kieler gelang. Der von Thomas Mogensen brillant gesteuerte SG-Angriff hielt die Kieler 3-2-1-Deckung mit großer Lauffreude ständig in Bewegung, zudem war das Konterspiel deutlich effektiver.