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Derby mit besonderen Vorzeichen

(sh:z; Hans-Werner Klünner/Joachim Hobke) Eine solche Konstellation hat es noch nicht gegeben. Wenn der THW Kiel heute (20.15 Uhr/Sport1) die SG Flensburg-Handewitt zum 55. Landesderby der Handball-Bundesliga empfängt, trifft diesmal nicht der Spitzenreiter auf einen seiner Verfolger, sondern das Schlusslicht auf den Tabellendritten. Möglich machte dies der TBV Lemgo, der den haushohen Meisterschaftsfavoriten schon im ersten Punktspiel mit dem 27:21-Überraschungserfolg aus allen Rekordträumen riss. Die von vielen Experten befürchtete 72:0-Serie der "Zebras" war schon nach den ersten 60 Minuten der neuen Spielzeit Geschichte. Und in THW-Trainer Alfred Gislason, den sein Star-Ensemble bitter enttäuscht hatte, brodelte es wie in einem isländischen Vulkan kurz vor der Eruption. "Entsprechend heiß werden die Kieler gegen uns auftreten", glaubt der Flensburger Trainer Ljubomir Vranjes.

Dass die Kieler nach dem ersten Spieltag die "rote Laterne" tragen, ist dem 40-jährigen Schweden egal: "Ich schaue nicht auf die Tabelle. Wir wissen, was uns in Kiel erwartet. Aber wir wissen auch, was wir zu tun haben und was Kiel für eine Mannschaft ist." Für ihn hat Alfred Gislason die beste Mannschaft seit Jahren beisammen. "Von der individuellen Qualität ist Kiel die beste Mannschaft der Welt", betont der 40-Jährige. "Aber auch Kiel braucht Zeit zum Einspielen. Handball ist nicht einfach."

Im Gegensatz zu den Kielern starteten die Flensburger mit einem 29:23 und dem erwarteten Sieg über die TSG Friesenheim in die neue Spielzeit. Der SG-Trainer, der am Sonntag das Spiel noch einmal genau analysierte, war mit dem ersten Auftritt sehr zufrieden. "Das war das beste Auftaktspiel von uns seit Jahren. Viele Sachen waren schon sehr gut. Nur die Wurfausbeute stimmte nicht." In der Sparkassen-Arena wird heute das gleiche Team wie am vergangenen Sonnabend auflaufen. "Alle Spieler sind fit", so Vranjes. Einzig Jim Gottfridson wird  nach wie vor fehlen. Der junge Schwede wird nach seinem Mittelfußbruch frühestens Mitte September zurück erwartet.

Ein Wiedersehen gibt es heute in der Sparkassen-Arena mit Steffen Weinhold. Der Nationalspieler ist nach zwei Jahren von der Flensburger an die Kieler Förde gewechselt. Für Weinhold könnte es ein emotionaler Moment sein, für Vranjes nicht. "Jetzt sind wir Gegner, so ist das Profi-Geschäft. Komisch wird es nur im ersten Moment sein, Steffen im THW-Trikot zu sehen."

Doch nicht nur der Ex-Flensburger, der im ersten Punktspiel für seinen neuen Verein eine unglückliche Figur machte, wird in der "Mutter aller Derbys" hoch motiviert in die Partie gehen. "Das sind immer ganz besondere Spiele. Wir sind heiß auf das Heimspiel gegen die SG Flensburg-Handewitt und hoffen, dass wir gemeinsam mit unseren Fans zwei wichtige Punkte holen können", sagt Kiels Mannschaftskapitän Filip Jicha. "Dafür müssen wir aber weniger Fehler machen als gegen Lemgo", ergänzt Kreisläufer Patrick Wiencek. "Nur dann erleben wir ein schönes Derby." Vor allem im Angriff offenbarte der Meisterschaftsfavorit zum Auftakt ungewohnte Schwächen. "Wir haben ein System, dem sich alle unterzuordnen haben", fordert Jicha. Für Trainer Alfred Gislason kommt die Situation allerdings nicht gänzlich überraschend. Er habe schon gewusst, sagte der Coach, "dass  die ersten Spiele sehr schwierig sein werden". Die Integration der neuen Leistungsträger wie Steffen Weinhold, Domagoj Duvnjak oder Joan Cañellas in das Kombinationsspiel des THW erfordere noch Zeit. "Man hat ohne Frage gesehen, dass sie noch etwas brauchen, um reinzukommen." Und so ist es nicht gänzlich auszuschließen, dass der THW Kiel auch nach dem Derby weiter das Tabellenende ziert.