Stripes
Stripes
Archiv

Showdown um die Schale

(sh:z; Jannik Schappert) Anspannung? Ja. Nervosität? Ja. Angst? Nein. Die SG Flensburg-Handewitt ist bereit für den Showdown in der Handball-Bundesliga. Morgen (15 Uhr) braucht der Tabellenführer vor über 9000 Zuschauern – darunter bis zu 1500 SG-Fans – im ISS Dome Düsseldorf beim Bergischen HC mindestens einen Punkt, um den Titel zu verteidigen und um nicht auf einen Patzer des THW Kiel angewiesen zu sein, der zeitgleich die TSV Hannover-Burgdorf empfängt. „Natürlich sind wir angespannt und nervös – wir sind Menschen. Aber das braucht man, nur dann ist man wach“, sagt SG-Trainer Maik Machulla.
 
Der Druck, der morgen auf der SG lasten wird, ist dem 42-Jährigen und seiner Mannschaft nicht neu. Vor einem Jahr musste der deutsche Meister das stark ersatzgeschwächte Frisch Auf Göppingen am letzten Spieltag schlagen, um erstmals nach 14 Jahren den Titel nach Flensburg zu holen. Das gelang zu Hause mit Ach und Krach – die SG gewann gerade so mit 22:21. Machulla meint: „Es ist gut, dass wir diese mental schwere Situation schon einmal erlebt haben.“

Zudem gibt es diesmal einen entscheidenden Unterschied: Während die Flensburger im Vorjahr zwei Spiele vor dem Saisonende völlig unvermittelt auf die Pole Position vorrückten, weil die Rhein-Neckar Löwen mehrere Punkte abgaben, waren sie in dieser Saison schon seit dem sechsten Spieltag die Gejagten und konnten sich an diese Rolle gewöhnen. „Wir machen es mental hervorragend. Das müssen wir noch einmal hinkriegen“, sagt Lasse Svan. Der wertvollste Spieler der Saison, Rasmus Lauge, betont: „Wir haben eine herausragende Saison gespielt – stets mit großer Überzeugung und Konsequenz. Wir müssen und werden  den Job zu Ende bringen.“
 
Schon jetzt hat die SG die beste Serie ihrer Vereinsgeschichte gespielt: 31 Siege aus 33 Spielen, 62 Punkte, interner Startrekord mit 24 Erfolgen am Stück, dazu so wenige Gegentore wie noch nie. Bemerkenswert genug, dass die Meisterschaft noch offen ist – der Vizemeister wird der beste Vizemeister aller Zeiten sein. Mit diesem „Titel“ will die SG aber nichts zu tun haben – das Ziel ist die zweite deutsche Meisterschaft in Folge. Im Kieler Lager hält man einen Patzer des Spitzenreiters für eher unrealistisch. „Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. Trotzdem bleibt ein Fünkchen Hoffnung“, sagt Kreisläufer Hendrik Pekeler, der die Chancen „im niedrigen einstelligen Prozentbereich“ sieht.
 
Personell hat Flensburg morgen wie im Vorjahr gegen Frisch Auf Göppingen Vorteile. Kapitän Tobias Karlsson schlägt sich vor dem letzten Spiel seiner Handball-Karriere zwar mit Rücken- und Rippenschmerzen herum, kämpft aber für einen Einsatz. „Ich hoffe wirklich, dass ich mitmachen kann“, sagt Karlsson. Er ist  das einzige Fragezeichen.
 
Anders die Lage beim Bergischen HC, der es nur mit  einem Sieg noch auf Europapokal-Platz sechs schaffen kann. Die Rückraumspieler Daniel Fontaine (Achillessehnenriss), Maciej Majdzinski (Kreuzbandriss) und Bogdan Criciotoiu (Schulterentzündung) fehlen dem starken Aufsteiger ebenso sicher wie Abwehrchef Max Darj (Daumenbruch). Dazu ist Mittelmann Linus Arnesson mit einem leichten Muskelfaserriss angeschlagen. All das interessiert Machulla herzlich wenig: „Zu denken, es wäre leichter, weil der und der fehlt, wäre fahrlässig.“
 
Der SG-Tross fliegt heute nach dem Abschlusstraining von Sonderburg mit der Charter-Maschine nach Düsseldorf. Morgen früh folgen um 7.57 Uhr im Sonderzug 750 SG-Anhänger – und womöglich ebenso viele, die in dem eigenen Pkw und in Fahrgemeinschaften anreisen. Alle anderen werden das Spiel wohl im Fernsehen verfolgen. Wer selbst Sky hat, zu Hause. Wer kein Sky hat, in einer Sky-Bar oder im Turner’s, der Vereinsgaststätte des TSB Flensburg. Ein Public Viewing gibt es nicht, weil der Pay-TV-Sender das nicht genehmigt.
 
Oder man macht es wie Robert Habeck: „Am Sonntag werde ich das Spiel mit Freunden sehen, die einen Pay-TV-Account haben“, sagt der bekennende SG-Fan. Sorgen, dass das Machulla-Team noch wackeln könnte, macht sich der Grünen-Parteichef nicht: „Beim letzten Heimspiel gegen Berlin war ich in der Halle. So souverän, abgeklärt und cool hab ich die SG selten erlebt.“ Und was passiert im Falle des Titelgewinns? „Wenn wir Meister werden“, kündigt Habeck an, „dann gehe ich im Trikot schlafen.“