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Telekom Veszprém

5000 Zuschauer singen sich schon vor dem Anpfiff ein, fast alle sitzen in roten Trikots auf ihren Plätzen. Diese rote Wand feuert dann 60 Minuten lang ihre Mannschaft bedingungslos an, will sie zum Sieg tragen. Die 2008 eingeweihte Veszprém-Arena gehört ohne Zweifel zu den Hot Spots des internationalen Handballs. Ein Erfolgsgarant ist sie allerdings nicht immer. In dieser Saison gab es für Telekom Veszprém bereits drei Heimniederlagen. Zwei in der VELUX EHF Champions League, und zwar gegen die Rhein-Neckar Löwen und gegen Vardar Skopje.

Kentin Mahé im aktuellen Trikot.

Die dritte Pleite kassierte der ungarische Rekordmeister ausgerechnet in der heimischen Liga. Das 27:32 gegen MOL-Pick Szeged tat weh, denn es unterstrich eine Wachablösung im ungarischen Vereinshandball, der sich in den letzten Monaten vollzog. Seit der jüngsten Meisterschaft gibt der Rivale aus dem Südosten des Landes den Ton an. Szeged liegt derzeit ungeschlagen an der Spitze der ungarischen Liga, während sich Veszprém als Zweiter auf die Playoffs hoffen muss. In der VELUX EHF Champions League ordnete sich Szeged in der Staffel B sofort als Zweiter ein, während Veszprém erst nach einer mäßigen Hinrunde aufdrehte. Und zuletzt verpasste Veszprém den elften ungarischen Pokal in Folge. Nach einer missglückten ersten Hälfte verlor Veszprém das Finale in Debrecen mit 27:28 – ausgerechnet gegen Szeged.

Diese Nadelstiche mag ein erfolgsverwöhnter Klub, der mit potenten Sponsoren und vielen Top-Stars nur so nach Titeln giert, gar nicht. In der letzten Serie konnte der Erfolg im ungarischen Pokal die Enttäuschung, die sich aus dem Meister-Desaster und dem Achtelfinal-Aus in der europäischen Königsklasse speiste, nicht lindern. Eine Unzufriedenheit entfachte für die neue Saison eine Erwartungshaltung, die den Druck auf Ljubomir Vranjes enorm erhöhte. Mit großen Vorschusslorbeeren war der Schwede im Sommer 2017 von der SG Flensburg-Handewitt gen Balaton gewechselt, nachdem er einen Fünf-Jahres-Vertrag unterschrieben hatte. Nach seiner Premieren-Spielzeit war er angezählt, nach Niederlagen in Barcelona und gegen Vardar Skopje musste er bereits seinen Hut nehmen.

Der neue Trainer David Davis.

Am 1. Oktober sprach der Klub gleich drei Beurlaubungen aus. Neben Ljubomir Vranjes mussten auch Co-Trainer Björn Sätherström und Sportdirektor Nikola Eklemovics den Verein verlassen. „Ich war geschockt“, erinnert sich Kentin Mahé, der im letzten Sommer Ljubomir Vranjes von der SG zu Veszprém gefolgt war. „Ich habe ihm persönlich viel in meiner sportlichen und menschlichen Entwicklung zu verdanken.“

Den Aufbau der Mannschaft hatte der kleine Schwede noch wesentlich geprägt. Nachdem zuvor schon der norwegische Linkshänder Kent Robin Tönnesen und Rückraum-Shooter Petar Nenadic anheuerten, folgten zu dieser Saison Spitzenkeeper Arpad Sterbik, Linksaußen Manuel Strlek, Kreisläufer Rene Toft Hansen (THW Kiel) und eben auch Kentin Mahe. Ljubomir Vranjes verkündete: „Dieses Veszprém ist nun meine Mannschaft!“

Goalgetter Petar Nenadic.

Diese musste sich im Oktober plötzlich an ein neues Konzept gewöhnen. Der Spanier David Davis übernahm zusammen mit dem gebürtigen Kubaner Carlos Perez das Kommando. Ab November fruchtete die Umstellung: Seither eilt Telekom Veszprém von Sieg zu Sieg, musste sich nur im Liga-Rückspiel und im Pokal dem Rivalen aus Szeged geschlagen geben. Die Fans aus der 65000-Einwohner-Stadt, die bereits  25 ungarische Meisterschaften, 27 ungarische Pokalsiege sowie zwei Mal den Europacup der Pokalsieger (1992, 2008) bejubelten, hoffen dennoch in Kürze auf weitere Lorbeeren. Der Kader, in dem zuletzt Petar Nenadic, Kentin Mahe, Linkshänder-Legende Laszlo Nagy, Rechtsaußen Dragan Gajic sowie der Halblinke Borut Mackovsek, Manuel Strlek und Kreisläufer Andreas Nilsson als beste Torschützen gefielen, sollte in jedem Fall stark genug sein.