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Große Spielfreude, viele Emotionen

(sh:z) Die „vierseitige Siegesfeier“ mit den Fans nach Spielschluss gehört zu den beliebten Ritualen in der Campushalle. Gestern Abend barg das gewohnte Bild aber eine lange nicht gesehene Facette. Erstmals seit März 2011 diente der blaue Teppich der Königsklasse als Jubel-Plattform. Mit einem deutlichen 36:26 (19:14) über Medwedi Tschechow hat die SG Flensburg-Handewitt die Führung in der Gruppe A der Champions League übernommen.

Das Tempo sollte hochgehalten werden – das sich SG-Trainer Ljubomir Vranjes von seinem Team gewünscht. Er durfte sehr zufrieden sein. Die Abwehr-Hünen des russischen Abo-Meisters wackelten doch bedenklich unter dem Druck der flinken SG-Offensive. Nach Ballgewinnen wurde blitzschnell auf „Attacke“ umgeschaltet. Auch im klassischen Positionsspiel wurde gut kombiniert. „Alle haben es sehr gut gemacht“, lobte Vranjes. „Wir haben aber auch in der Abwehr gut gestanden, und Mattias Andersson hat wichtige Bälle gehalten.“ Alles klappte – und deshalb konnten die stark eingeschätzten Russen auch so zerlegt werden.

Die russische Trainer-Legende Wladimir Maximow machte an seinem 67. Geburtstag schnell die Erfahrung, dass man am Spielfeldrand nicht mit Präsenten zu rechnen braucht, sondern lieber die grüne Karte in der Hand halten sollte. Schon nach acht Minuten – es hieß 5:2 – nahm er seine Auszeit. Nun tauchte der wurfstarke Sergei Gorbok auf die Rückraum-Mitte. Der glich zum 6:6 aus. Bis zum 10:10 (18.) durfte Maximow auf ein Happy End hoffen. „Das war bis dahin ganz okay“, meinte er später. „Doch dann haben wir ein paar Mal zu früh abgeschlossen, und auch die Abwehr hat mir nicht gefallen.“

Dagegen zeigte die SG durchgängig eine hohe Spielfreude. „Das hatte damit zu tun, dass wir nach so vielen Auswärtsspielen endlich wieder in der Campushalle spielen  durften“, glaubte SG-Kapitän Tobias Karlsson. „Ich habe in den Augen eine Extra-Freude gesehen.“ Besonders inspiziert davon war die rechte Angriffsseite. Lasse Svan Hansen und Holger Glandorf machten genau die Hälfte aller SG-Treffer, dazu gesellte sich der dritte Linkshänder Steffen Weinhold mit zwei Toren.

Nach der Pause hatte alles auf eine Reaktion der Russen gewartet, für die die Champions League immer eine willkommene Abwechslung zum langweiligen Liga-Alltag ist. In der russischen Heimat hatte Tschechow die letzten 152 Spiele allesamt gewonnen, in Flensburg stand der Renommierclub aber auf verlorenem Posten. Für die Musik sorgte weiterhin die SG: Mit einer Vierer-Serie besorgte Glandorf das 24:16. Maximow bellte russische Anweisungen aufs Spielfeld, wählte beim  30:19 nochmals das „grüne Geburtstags-Kärtchen“, konnte aber nichts mehr ausrichten.

Die SG-Fans jubelten: „Seht ihr, Hamburg – so wird das gemacht!“ Zur Erinnerung: Die Hanseaten hatten nur ein Remis gegen Medwedi geschafft. Die Welle rollte durch die etwas mehr als zur Hälfte besetzte Campushalle. Beste Laune hatte auch Ljubomir Vranjes: Zwei Minuten vor Schluss beglückte er die Youngster Malte Voigt, Thies-Jakob Volquardsen und Morten Dibbert mit Kurzeinsätzen in der Champions League. „Das hat unser Durchschnittsalter merklich gesenkt“, schmunzelte ein zufriedener SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke und ergänzte: „Das war ein toller Abend mit vielen Emotionen und Leidenschaft. Ich hätte nicht gedacht, dass die Mannschaft nach den anstrengenden letzten zwei Wochen heute eine solche Leistung abrufen kann.“