Stripes
Stripes
Archiv

TBV Lemgo

Lemgo, die 40.000-Einwohner-Stadt an der Lippe, ist so etwas wie ein Leuchtturm auf der Handball-Karte Deutschlands. Seit 1983 tummelt sich der TBV ohne Unterbrechung in der Bundesliga, nur Gummersbach, Großwallstadt und Kiel können auf eine noch längere Liga-Zugehörigkeit zurückzuschauen. Doch die letzten Wochen und Monate versetzten die westfälische Handball-Idylle, in der einst zwei deutsche Meisterschaften (1997, 2003) gediehen, in Unruhe: Zuletzt drehte sich (fast) alles um ein „Luftschloss" und eine Strafanzeige.

Hendrik Pekeler kam vom Bergischen HC.

Kräftige Risse durchzogen die Lemgoer Beschaulichkeit bereits im Juni. Eine Liquiditätslücke von rund 1,4 Millionen Euro hatte den TBV an den Rand der Insolvenz gebracht. die Spieler sollen Gehaltskürzungen von fünf bis 15 Prozent akzeptiert haben. Der IT-Dienstleister „itelligence" sprang als Hauptsponsor ein und schlug eine Brücke nach Fernost. Als erster deutscher Handball-Erstligist machte sich der TBV auf nach China, um einen Versuch zu unternehmen, auf den gigantischen Sport- und Werbemarkt des riesigen Landes einen Fuß zu setzen. An der Spitze der Delegation: Volker Zerbe, einer der beiden Klub-Geschäftsführer und das Handball-Urgestein der Region.

Im August schied dieser jedoch völlig unerwartet aus. Aufgrund eines Burnout-Syndroms bat er um die Aufhebung seines Vertrages. Im September der nächste Knall: Der Beirat stellte Strafanzeige gegen Volker Zerbe. „Ich traue es ihm nicht zu, dass er sich selbst bereichert hat", sagte Beirat Siegfried Haverkamp. „Doch die Faktenlage ist für uns derart klar, dass wir keine Rücksicht mehr auf Personen nehmen konnten." Es soll um einen Leasingvertrag für eine Telefonanlage und eine nie angetretene Italien-Reise gehen. Volker Zerbe könne derzeit nicht aussagen, erklärt sein Anwalt.

 

Timm Schneider spielte zuletzt beim TV Hüttenberg.

Fast gleichzeitig geriet der zweite TBV-Manager Fynn Holpert in die Schlagzeilen. Der „Spiegel" berichtete über ein „Luftschloss". An die altehrwürdige Lipperlandhalle sollte ein 60 Millionen Euro schweres Bauprojekt angedockt werden. Fynn Holpert soll in diesem Zusammenhang mit einem 200-Millionen-Euro-Scheck, dessen Echtheit angezweifelt wird, bei der Sparkasse Lemgo vorstellig geworden sein. Das Finanzinstitut sprang nicht mit ins Boot. Stattdessen schaltete sich die Staatsanwaltschaft ein: Urkundenfälschung und Betrug standen plötzlich im Raum. Fynn Holpert trat von seinem Geschäftsführer-Posten zurück.

Der junge Christian Sprdlik leitet nun als Interimslösung die Geschäfte. Auch sonst bemühen sich die Verantwortlichen, die „unzureichenden Kontroll-Mechanismen" (Haverkamp) im TBV zu beseitigen und wollen einen Wirtschaftsrat installieren. Was ihnen Mut macht: Bislang soll kein Sponsor aufgrund der Turbulenzen ausgestiegen sein. Allerdings bröckelte die Resonanz der Fans: Gegen Großwallstadt kamen nur 3296 Zuschauer, deutlich weniger als sonst.

 

Trainer Dirk Beuchler.

Sportlich hat sich der TBV in die untere Tabellenhälfte begeben, hat in vier Auswärtsspielen noch keinen einzigen Zähler errungen. In den letzten Wochen haderten die Westdeutschen mit dem Verletzungspech. Nationaltorhüter Carsten Lichtlein (Wade/Muskelfaserriss), Rechtsaußen Arjan Haenen (Daumenbruch), Linkshänder Patrik Johansson (Schulter) und der Halblinke Gunnar Dietrich (Achillessehne) fehlten zuletzt im Spiel bei den Rhein-Neckar Löwen. Das 26:31 musste unter diesen Umständen als durchaus ordentliches Ergebnis gewertet werden, zumal sich auch noch Kapitän Florian Kehrmann (Finger/Strecksehnenriss) und Neuzugang Timm Schneider (Fuß/Sehnenentzündung) Blessuren zuzogen. Aufgrund der zahlreichen Hiobsbotschaften auf und neben dem Spielfeld ist derzeit eine Wiederholung des Vorjahresplatzes sieben in weite Ferne gerückt. Aber die Saison ist noch lang. „Zwischen Platz fünf und 15 wird sich ein breites Mittelfeld bilden", prognostizierte TBV-Coach Dirk Beuchler schon vor dem Saisonstart viel Spannung.