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Das richtige Bauchgefühl des Trainers

(sh:z; Hans-Werner Klünner) Das war nichts für schwache Nerven und schon gar nichts für Handball-Ästheten. Zwei knallharte Abwehrreihen, überragende Torhüter, Kampf, Leidenschaft und Emotionen prägten das erste von insgesamt vier Duellen zwischen der SG Flensburg-Handewitt und dem HSV Hamburg im Monat April. Nach 60 nicht hochklassigen, aber ungemein packenden Minuten stand im Spitzenspiel der Handball-Bundesliga ein 23:23 (9:12). "Wir können mit diesem einen Punkt leben", erklärten Ljubomir Vranjes und Martin Schwalb unisono. Doch den Mienen der beiden Trainer war anzumerken, dass sie sich in diesem Derby mehr ausgerechnet hatten.

Es war in dieser Saison der erste Bundesliga-Punktverlust der SG in eigener Halle. Aber im Kampf um die Qualifikation für die Champions League hatten die Flensburger den Meister von 2011 auf Distanz gehalten. "Wir liegen immer noch vier Punkte vor Hamburg, unsere Chancen stehen nach wie vor gut", meinte Linksaußen Anders Eggert, der am vergangenen Freitag Vater einer Tochter (Alma) geworden war. Der Flensburger Torschütze vom Dienst war an diesem Abend ohne Treffer geblieben und versuchte sich vergeblich daran zu erinnern, "wann ich das letzte Mal in einem Pflichtspiel nicht getroffen habe".

Die Geschichte in diesen Nordduell mit Höhen und Tiefen aus Flensburger Sicht - Drei-Tore-Rückstand zur Pause, 19:17-Führung nach 48 Minuten und einem 22:23 nach 57 Minuten - hatten andere geschrieben, mit denen keiner gerechnet hatte: Torhüter Sören Rasmussen und Petar Djordjic. Der eine hatte zuletzt vier Wochen wegen einer Muskelverletzung im Oberschenkel gefehlt, der andere wegen eines im vergangenen August erlittenen Kreuzbandrisses in dieser Saison noch kein Spiel bestritten.

"Ich war selbst überrascht, dass ich anfangen sollte", bekannte Rasmussen. Zumal Torwartkollege Mattias Andersson neun Tage zuvor in Berlin grandiose  Arbeit geleistet hatte. Doch der Trainer hatte wieder einmal so ein "Gefühl im Bauch" - und es sollte ihn nicht trügen. Mit 22 Paraden avancierte der 36-jährige Däne zum großen Rückhalt der Gastgeber. Allein für seine ersten drei Paraden (darunter ein Siebenmeter von Hans Lindberg) beim ersten Hamburger Angriff erntete er stehende Ovationen. "Schade für Sören war nur, dass wir mit dieser Torwartleistung nicht gewonnen haben", meinte Vranjes.

Das wäre durchaus möglich gewesen. Denn Petar Djordjic hatte wenige Minuten nach seiner Einwechslung die ersten Zwei-Tore-Führungen für den Vizemeister zum 18:16 (47.) und 19:17 (48.) erzielt. Der 22-jährige Serbe hatte die Pfiffe von der Nordtribüne bei der Mannschaftsvorstellung ausgeblendet und nur am Rande mitbekommen, dass bei seiner Einwechslung verhaltener Beifall aufkam. "Ich war voll und ganz auf das Spiel fokussiert", berichtete Djordjic. Drei Tore von ihm reichten der SG dennoch nicht zum Sieg. "Ich bin traurig, dass wir nicht gewonnen haben", meinte der Serbe. Sein Trainer war dagegen froh, für den Rest der Saison eine personelle Alternative mehr zu haben. "Ich freue mich, dass Petar wieder da und bereit ist für die nächsten Wochen."

Schon am Sonnabend geht es in die zweite Runde mit dem HSV - im ersten Halbfinale beim Final Four (15 Uhr), einem K.o.-Spiel also. Wenn die SG zum dritten Mal in Folge das Pokalendspiel erreichen will, bedeutet das: Verlieren verboten. Thomas Mogensen und seine Mitspieler sind optimistisch. "Wir haben heute im Angriff nicht gut gespielt", meinte der Spielmacher selbstkritisch. "Das können wir viel besser. Und das wollen wir am Sonnabend zeigen."