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TV Neuhausen

Die Historie spricht nicht für den TV Neuhausen. Drei Mal schon hatten sie einen Anlauf auf die Bundesliga unternommen, und jedes Mal stiegen sie wieder ab. Vor der Saison war das Urteil der Experten vernichtend: Die Schwaben galten wieder als heißer Abstiegskandidat. Aber nicht wegen der früheren Misserfolge. Die waren zu lange her, entstammten den Annalen der 70er Jahre. Vielmehr führte der magere Etat von einer knappen Millionen Euro, der nur ein Team mit eher unbekannten Akteuren ermöglicht, zu dieser negativen Einschätzung.

Trainer Markus Gaugisch.

Beim TVN reagierte man nicht bestürzt, sondern richtete sich in der Rolle des Außenseiters gemütlich ein. „Das Saisonziel ergibt sich von allein", sagte Trainer Markus Gaugisch. „Wir wollen möglichst viele Punkte sammeln, um das Wunder zu schaffen – und uns als Mannschaft verbessern." Sportlich nahm sich seine Truppe den TV Hüttenberg als Vorbild. Der hatte zwar im Vorjahr den Klassenerhalt verpasst, aber als Amateur-Klub mehr Punkte gesammelt, als es die Fachwelt für möglich gehalten hätte. „Es gibt viele Überschneidungen", meint Markus Gaugisch. In beiden Fällen handele es sich um den Underdog, der professionelle Strukturen durch Begeisterung ersetzt. Das Neuhausener „Zwergen-Team" – mehrere Spieler sind kleiner als 1,80 Meter – deckt mit einer offensiven 3:2:1-Formation und möchte die Konkurrenz überraschen.

Das scheint zu funktionieren. Zwar steckt der TV im Tabellenkeller fest, wurde im Gegensatz zu Mitaufsteiger TUSEM Essen aber noch nicht abgehängt. Besonders bemerkenswert: das Remis gegen den HSV Hamburg. Besonderer Jubel herrschte nach dem Heimsieg im Derby gegen HBW Balingen-Weilstetten. Direkt danach gab Trainer Markus Gaugisch bekannt, dass er und sein „Co“ Florian Vollmer auch im Falle des Abstiegs an Bord bleiben werden.

Torjäger Marcel Schiller

Die Strukturen im Metzinger Stadtteil Neuhausen sind familiär und bauen auf viel Ehrenamt und Spielern aus der Region auf. So ist es machbar, dass der Coach auch als Lehrer in der Schule unterrichtet, während der Co-Trainer oder der sportwissenschaftlichen Berater Axel Kromer die neu eingeführten Vormittags-Einheiten leiten. Die Ausweitung des Trainings-Pensums war nur möglich, weil das Gros der Handballer studiert.

Ein Opfer musste der TVN für die DKB-Bundesliga bringen. Die heimische Hofbühlhalle war zu Zweitliga-Zeiten ein Erlebnis, erhielt aber keine Genehmigung für Erstliga-Handball. Ein Umzug in die Paul-Horn-Arena, in die 24 Kilometer entfernte Universitätsstadt Tübingen, musste erfolgen. Die neue Spielstätte bietet nun Riesen-Vorteile in puncto Marketing und Zuschauerzuspruch.

Linkshänder Ralf Bader

Bei den Süddeutschen besteht im Umfeld noch Nachholbedarf, was bei der Entwicklung der letzten Jahre nicht verwundert. Noch 2005 tummelte sich der TVN, der 1977/78 Gründungsmitglied der eingleisigen Bundesliga war, in der fünftklassigen Württemberg-Liga. Bis in die Vorbereitung hinein arbeitete selbst Manager Jürgen Zepf noch ehrenamtlich. Dann schied er aus, da mit der Abteilungsspitze „völlig konträre Ansichten" beim Thema Professionalisierung des TVN bestanden.

Den wirtschaftlichen Bereich verantwortet nun Dieter König, der ab Februar sein Engagement für den Neuling auf halbtags hochfahren kann. Ob er im Frühjahr den Klassenerhalt bejubeln darf? Die junge Mannschaft muss zumindest ohne namhafte Verstärkungen auskommen. Akteure wie die 21-jährigen Marcel Schiller (Linksaußen), Alexander Becker (Kreis) und Andreas Schröder (Rückraum links) oder der erst 20-jährige Linkshänder Nicolai Thaillinger sind bereits in ihrem ersten Bundesliga-Jahr Leistungsträger.