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"Ich schäme mich für unsere Spieler"

(sh:z; Hans-Werner Klünner) 28:22 gewonnen und damit erneut den Einzug ins Final Four des deutschen Handball-Pokals geschafft - eigentlich hätte die Handballwelt für die SG Flensburg-Handewitt am späten Dienstagabend in rosaroten Farben schimmern müssen. Doch weit gefehlt: Nach dem Pflichterfolg über den tapferen Zweitligisten TV Neuhausen hing bei der SG Flensburg-Handewitt der Haussegen mächtig schief. "Ich schäme mich für unsere Spieler", sagte Holger Kaiser, nachdem sein Adrenalinspiegel wieder einigermaßen herunter gefahren war.

Wenige Minuten zuvor in der Pressekonferenz hatte der Geschäftsführer die Mannschaft für ihre lust- und leidenschaftslose Vorstellung vor 2250 Zuschauern buchstäblich in die "Senke" gestellt. "Mit dem Erreichen des Final Four bin ich zufrieden, aber der Rest war eine Katastrophe", wetterte der 46-Jährige. Wir haben selbstverliebt und pomadig gespielt. Heute haben wir nicht in Ansätzen gesehen, dass wir Nationalspieler und sogar Europameister in unseren Reihen haben."

Unmittelbar nach Spielschluss war Kaiser, der die letzten 20 Minuten einer gräuslichen SG-Darbietung auf der Stehtribüne verbracht hatte, um die restlos enttäuschten Fans zu besänftigen, in die Kabine gestürmt und hatte die Flensburger Spieler persönlich "gefaltet". Es war laut in der Kabine, und die Ansprache dauerte länger, so dass die Pressekonferenz erst über eine halbe Stunde nach Spielschluss begann. "Dort habe ich nicht so freundliche Worte gewählt wie hier", gestand der Geschäftsführer später. Die Pokalpartie war für Kaiser spielerisch der vorläufige Tiefpunkt seit der EM-Pause. "Wir haben an Reputation bei den Fans und im Umfeld verloren. Keiner ist seiner Verantwortung gerecht geworden."

Nach dem Titelgewinn der Dänen bei den kontinentalen Titelkämpfen in Serbien hatte der Verein einen positiven Schub für die Bundesliga erhofft. Doch das Gegenteil ist eingetreten. "Wir haben in Lemgo unnötig zwei Punkte verloren und in Melsungen einen Zähler liegen gelassen. Die EM ist für uns nicht positiv gelaufen", konstatierte Kaiser, der die SG-Spieler nun bei ihrer Ehre packen will, um im nächsten Heimspiel gegen den TV Großwallstadt am Sonnabend (19 Uhr) die Trendwende einzuleiten. "Die Spieler sollen das SG-Logo nicht allein auf der Brust tragen, sondern vor allem im Herzen", forderte Kaiser.

Auch Trainer Ljubomir Vranjes war restlos bedient. "Positiv ist nur, dass wir unser Ziel Final Four erreicht haben", sagte der Schwede. Die 15 Minuten in der ersten Hälfte, als die SG aus einem 5:8-Rückstand eine 13:8-Führung gemacht hatte, waren für den Schweden okay. "Aber was wir ansonsten gespielt haben, war richtige Sch...", ereiferte sich der 38-Jährige. "Wir haben ohne Druck gespielt, unglaublich viele Fehler gemacht, und bei einigen habe ich sogar Angst in den Gesichtern gesehen. Darüber wird im Training noch zu reden sein."

Ganz anders war die Gefühlslage der Neuhausener. "Wir haben uns super verkauft und unsere Fans belohnt, die den weiten Weg hier hoch gekommen sind", erklärte Markus Gaugisch. Die rund 50 TV-Anhänger hatten ihr Team 60 Minuten lang lautstark unterstützt und nach dem Schlusspfiff mit stehenden Ovationen gefeiert. "Es war uns eine Ehre, für diese Fans zu spielen", sagte Gaugisch. Das passte ins Stimmungsbild des Abends: Der Sieger musste Pfiffe über sich ergehen lassen, und der Verlier verließ gefühlt als Sieger die Campushalle.