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Großes Lob für den Verlierer

(sh:z; Jan Wrege) Es hat nicht ganz gereicht. Spieler und Trainer der SG Flensburg-Handewitt waren mit größter Zuversicht in das Endspiel des Final Four gegangen - und dann kam doch fast alles wie immer. Mit 33:31 (15:15) triumphierte der THW Kiel zum achten Mal im Pokalwettbewerb des deutschen Handballbundes und machte damit das Double 2012 perfekt. Selten bekam aber ein Verlierer größeres Lob als gestern. "Große Anerkennung - was Flensburg und Trainer Ljubomir Vranjes auf die Beine stellen, ist phänomenal", sagte THW-Coach Alfred Gislason, "ich bin sehr stolz, dass wir gewonnen haben."

Im Vorjahr hatten die Zebras die SG mit 30:24 noch überrannt, diesmal waren sie schon fast gezähmt. Erst in den letzten drei Minuten entschied sich der hochdramatische Pokalfight zwischen zwei Teams, die sich auf Augenhöhe begegneten. "Ich habe selten ein besseres Handballspiel gesehen, das auch noch so fair verlief. Das war allergrößte Werbung für unseren Sport", würdigte HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann die Leistung beider Finalisten.

Die Flensburger waren allerdings schwer zu trösten. Auch nicht durch das Pari in den Einzelwertungen: Anders Eggert teilte sich mit Filip Jicha die Ehrung für den besten Torschützen (beide 16), Mattias Andersson wurde bester Torhüter, Daniel Narcisse bester Spieler des Turniers. "Es ist so frustrierend. Wir haben gar nicht so schlecht gespielt, aber dann reichen denen zwei Fehler von uns", sagte Petar Djordjic. "Hart und schnell bestraft", fühlte sich SG-Kapitän Tobias Karlsson in den Phasen, als die SG ihrem Kontrahenten den kleinen Finger reichte. Da rannten die Zebras zwischen der 42. und 47. Minute von 22:21 auf 25:21 davon, bis zur 50. sogar auf 27:22, und alles schien entschieden. Aber plötzlich flammte wieder Flensburger Hoffnung auf: 28:29 stand es in der 56. Minute. "Dass wir so zurückkommen, ist unglaublich. Das ist unsere Moral", meinte Eggert. Doch der neue Meister hatte noch die Konzentration, die letzten Wurfchancen zu nutzen.

In der ersten Hälfte hatten sich die Besucher noch verblüfft die Augen gerieben. Da stand plötzlich eine Mannschaft auf der Platte, die den THW beinahe beherrschte. Mit ausgeklügelter Taktik und kühlem Kopf kontrollierte die SG das Geschehen. Eine 4:1-Führung nach sieben Minuten sah vielversprechend aus, und weil auch Mattias Andersson die Reihe seiner herausragenden Torhüterdarbietungen fortsetzte, schien ein Scheitern der Kieler Siegmaschine nicht mehr ausgeschlossen. Auch nachdem der THW in der 21. Minute erstmals in Führung gegangen war, blieb die SG unbeirrt und holte sich mit 15:13 wieder den Vorsprung zurück. Schon hier hätte es etwas mehr sein dürfen, wenn nicht einige Bälle durch individuelle Patzer verloren gegangen wären. Am Ende summierte sich der Zahl der technischen Fehler auf zwölf.

Das war auch dem zunehmenden Verlust an Substanz geschuldet. Während Kiel in voller Besetzung in der Startaufstellung sogar auf die Weltklassespieler Jicha und Narcisse verzichtete, mussten die Flensburger mit zehn Stammkräften im Feld auskommen. "Jeder meiner Spieler hat alles gegeben, einige sind an die Grenzen gekommen", sagte Trainer Vranjes, der zwiespältige Gefühle hegte. "Ich bin sehr enttäuscht, dass wir nicht gewinnen konnten, obwohl wir fast alles, was wir uns vorgenommen haben, umgesetzt haben."

Irgendwann dürfte sich aber in den nächsten Tagen auch die Genugtuung darüber einstellen, beim deutschen Handball-Wembley, das wieder von einer faszinierenden Atmosphäre getragen wurde, eine herausragende Visitenkarte abgegeben zu haben. Kiel als Prüfstein der SG macht die Entwicklung deutlich. Anfang der Saison in der Ostseehalle abgeschlachtet, im Dezember einen großen Schritt aufgeholt, jetzt fast gleichauf mit den Besten der Welt. Was kommt noch? "Diese Mannschaft wird Titel holen. Die SG wird wie in alten Zeiten zusammen mit dem THW die Spitze der Liga bilden", versprach SG-Manager Holger Kaiser. Er selbst als Mitarchitekt dieser Mannschaft wird das wohl aus der Ferne feiern. Am Rande des Final Four war es in HBL-Kreisen ein offenes Geheimnis, dass Kaiser nach dieser Saison in die Ligaorganisation wechselt.