Stripes
Stripes
Archiv

Reife-Prozess mit Mankos

(Flensborg Avis; Volker Metzger) Ohne Zweifel - die SG Flensburg-Handewitt hat eine weitere Sprosse auf der "Entwicklungs-Leiter" genommen. Eine enorm temporeiche, aber auch von gewissen Nachlässigkeiten geprägte Heimpartie gegen die HSG Wetzlar führte zu einem nie gefährdeten 36:30 (18:15)-Sieg, dem fünften Liga-Erfolg in Serie und dem Sprung auf den vierten Tabellenplatz.
Im Lager der SG gilt es zudem als ein gutes Omen, dass drei Tage vor dem Auftritt beim HSV Hamburg (Dienstag, 20.15 Uhr) der Überholvorgang in der Tabelle am Deutschen Meister damit gelungen war. "Wir fahren nicht als Favorit nach Hamburg, aber wir können mithalten", gab SG-Geschäftsführer Holger Kaiser selbstbewusst zu Protokoll. Und auch SG-Coach Ljubomir Vranjes ist sich sicher: "Wir werden dort ein gutes Spiel machen."
Gemessen am jüngsten Auftritt in der heimischen Campushalle, den 5814 Zuschauer live verfolgten, verfügt die SG dieser Tage allerdings wohl nur bedingt über jene Reife, die für eine Eroberung der O2-World-Arena in der Elbmetropole vonnöten ist. Allen voran verdienen sich die beiden Torhüter das Prädikat "internationale Spitze". Während der Schwede Mattias Andersson eine Gala der anderen folgen lässt und gegen Wetzlar zum besten Spieler der Partie avancierte, zeichnete sich der Däne Søren Rasmussen fleißig als "Siebenmeter-Killer" aus.
Ebenfalls zu dieser Kategorie gehören unbestritten Holger Glandorf und Michael V. Knudsen, die ihre Topform erreicht haben - sehr zum Leidwesen der Hessen. Zehn herzhaft bejubelte Treffer von Glandorf und eine kompakte und knackige Allrounder-Leistung von Knudsen setzten dem Auftritt der HSG mächtig zu. Auch das Duo Thomas Mogensen und Tobias Karlsson, die sich ihre Einsatzzeiten wieder einmal "brüderlich" in Abwehr und Angriff teilten, wusste zu überzeugen. Mit Anders Eggert verfügt die SG zudem über einen weiteren Hoffnungsträger bei dem Versuch erstmals eine Bundesliga-Spitzenmannschaft zu bezwingen. An der Siebenmeter-Linie gehört der "kleine" Eggert sicherlich weiter zu den ganz "Großen", aus dem Positionsspiel heraus ist aber noch - wie es Kaiser im übrigen beim gesamten Team festgestellt haben will - "noch Luft nach oben."
Aus dem Stammpersonal müssen sich in diesem Punkt Lars Kaufmann und Lasse Svan Hansen angesprochen fühlen. Der wurfgewaltige Kaufmann zeigt sich enorm willensstark, doch litt sein Spiel an einem schwachen Abschluss. Ungenaue Würfe, eher eine Schwäche seines Stellvertreters Petar Djordjic, prägten den Eindruck des Nationalsspielers, der es nur zu zwei Treffern brachte.
Djordjic hingegen erwischte in Sachen Ausbeute einen ausgesprochen starken Tag. Seine relativ geringe Einssatzzeit nutzte der Rückraum-Shooter für fünf Treffer der Marke "Powerball". Für die HSG-Keeper Nikola Marinovic und Nikolai Weber stellte sich dabei die Frage, "wie soll ich etwas halten, was ich nicht sehen kann?" Svan Hansen seinerseits wurde von seiner recht "konkurrenzlosen" Situation auf dem rechten Flügel einige Male zu gewissem "Leichtsinn" im Abschluss verführt. Mehrere seiner Fehlwürfe waren auch ein Grund dafür, warum die SG die HSG nicht richtig an die Wand gespielt hatte. "Wir müssen den Jungs auch den Raum für Spaß geben. Das ist auch wichtig", legte Vranjes seine schützende Hand über den Rechtsaußen.
Prominteste "Opfer" der Vranjes Strategie, wonach augenblicklich ein "Stamm" geformt wird, der das Fundament bilden soll, sind Jacob Heinl und Tamas Mocsai. Während Heinl immerhin nach rund 40 Minuten das Parkett für Knudsen betrat, schmorte der Ungar die komplette Spielzeit auf der harten Ersatzbank. "In dieser jungen Phase der Saison arbeite ich an einem Stamm, der richtig gut funktionieren muss. Erst dann werde ich stärker daran arbeiten, diesen Stamm auf 12 bis 14 Spieler auszuweiten", erläuterte Vranjes seine Strategie, in der selbst das Spielprogramm eine untergeordnete Rolle spielt. "Bei dieser Entwicklungsarbeit ist es egal, wer der Gegner ist. Ich schaue nur auf uns."
Die SG-Fangemeinschaft stellte sich im Anschluss an den fünften Bundesliga-Sieg in Folge die Frage, ob ihre Idole nach dem denkwürdigen Auftritt in Kiel zum Saisonbeginn nun bereits über das Rüstzeug verfügen, um beim amtierenden Deutschen Meister eine bessere Figur machen zu können.