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Flensburg tankt Mut fürs Finale

(sh:z) In Mannheim findet derzeit der 98. Katholikentag statt. Für die Handballer der SG Flensburg-Handewitt mutierte derweil eine "Glaubensfrage" zur Gewissheit: Nach dem 34:27 (14:18)-Erfolg bei den Rhein-Neckar Löwen und einer furiosen zweiten Hälfte bestehen keinerlei rechnerische Zweifel mehr an der Teilnahme der Champions League 2012/13. Angesichts eines Vorsprungs von drei Zählern zwei Spieltage vor Schluss auf die Füchse Berlin und eines mehr als lösbaren Restprogramm (zu Hause gegen Hannover, auswärts in Balingen) stempelte Holger Kaiser "faktisch" auch die Vize-Meisterschaft als errungen ab. Der SG-Geschäftsführer geriet ins Schwärmen über "den Prototypen einer Mannschaft auf und neben dem Spielfeld".

Ein Team, das seinen Lauf schon Minuten vor dem Abpfiff immer wieder mit kleinen Jubel-Akten feierte und schließlich einen kleinen Siegestanz im sogenannten Löwen-Käfig inszenierte. Ein Team, das seine Erfolgsserie mit einer ganz besonderen zweiten Hälfte krönte: Der zweite Durchgang ging mit 20:9 an die Nordlichter. Und das nicht bei irgendjemandem, sondern beim Tabellenfünften. "Bei uns tragen nicht ein oder zwei Spieler die Leistung über Wochen, sondern die ganze Mannschaft", sagte Viktor Szilagy. Der Spielmacher, der zuletzt mit eher wenigen Einsatzzeiten bedacht worden war, gehörte diesmal zu den Vätern des Erfolgs.

Von den ersten 30 Minuten hatte der Österreicher nur zehn Minuten gespielt, und zur Pause hatte es noch gar nicht nach einem SG-Triumph gerochen. Die Defensive agierte zu zaghaft, vorne summierten sich die Fehler, die die Löwen zu Gegenstößen nutzten. 18:12 hieß es. Mit einem Doppelschlag sorgte Lasse Svan Hansen für ein Lebenszeichen. Zudem sah Michael Müller, Linkshänder der Hausherren, den roten Karton, nachdem er den dänischen Rechtsaußen am Kopf getroffen hatte. "Wir hatten schon vier Verletzte, danach wurden unsere Alternativen noch bescheidener", stöhnte Löwen-Trainer Gudmundur Gudmundsson, dessen Stuhl kräftig wackelt.

Sein Kollege aus dem hohen Norden setzte indes auf die Viertelstunde in der Kabine. Laut Holger Kaiser war die Ansprache ein kleines Meisterstück. Ljubomir Vranjes selbst äußerte sich bescheidener. "Die erste Halbzeit war teilweise katastrophal, auch in der Abwehr", erzählte er. "Danach hat sich vieles verändert. Ich habe allerdings nur das wiederholt, was ich schon vorher gesagt hatte und nicht umgesetzt wurde."

Es ging ein erstaunlicher Ruck durch die Mannschaft. Bestes Beispiel: Lars Kaufmann. Vor dem Seitenwechsel zurückhaltend und unsicher wirkend, verwandelte sich der Halblinke nun zum Goalgetter und emotionalen Stimmungsmacher. Der 6:0-Verband stand urplötzlich felsenfest. "In der ersten Hälfte sind wir zu viel gelaufen, das haben wir abgestellt", sagte Jacob Heinl, der mit Tobias Karlsson den Mittelblock bildete. "Wir lassen uns einfach nicht aus der Ruhe bringen, dafür haben wir genau die richtigen Charaktere im Team", äußerte Mattias Andersson mit einem Lächeln. Der SG-Torwart selbst steigerte sich in der zweiten Hälfte und brachte die Rhein-Neckar Löwen zur Verzweiflung. In 23 Minuten produzierten sie lediglich vier Tore. Auf das 22:30 (53.) reagierten die geschockten Ränge mit unüberhörbaren Unmutsäußerungen.

Nach Spielschluss blickte der SG-Clan bereits nach vorne. Am Sonntag und nächsten Freitag stehen die beiden Endspiele im Europacup der Pokalsieger gegen den VfL Gummersbach auf dem Programm. "Es ist ja schön und gut, dass wir die Champions League erreicht haben", sagte Mattias Andersson. "Aber jetzt wollen wir auch einen Titel."