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TV Hüttenberg

Geschichten von damals werden gerne in den Ortsteilen Hochelheim und Hörnsheim erzählt. Damals, als sich die Handballer des neugegründeten TV Hüttenberg in die Bundesliga warfen und bis 1985 zu den etablierten Größen der deutschen Eliteklasse zählten. Es gehörte zum guten Ton, dass der Verein den Spielern beim Hausbau half, dass die ortsansässigen Bauern ein Acker verkauften, wenn finanzielle Sorgen bestanden, oder dass der unvergessene Abteilungsleiter Manfred Weber, ein gelernter Metzgermeister, Wurst an die Handballer und Funktionäre verteilte.

Die Sportler waren lupenreine Amateure: Die Rückraumschützen Harald Ohly und Axel Huth waren Verwaltungsangestellte, Spielmacher Eckhard Mack Bankkaufmann. Heute sieht es kaum anders aus: Linksaußen Andreas Lex ist im Alltag Einkaufsleiter, Regisseur Florian Laudt Lehrer und Rechtsaußen Stefan Lex Speditionskaufmann. Bis auf den slowakischen Keeper Milos Putera müssen sich auch alle anderen Spieler in der Woche am Arbeitsplatz oder in der Uni beweisen. Die 10000-Einwohner-Gemeinde Hüttenberg ist nach über einem Vierteljahrhundert auf die Bundesliga-Karte zurückgekehrt. Aber die Zeit scheint seit den 80er Jahren stehen geblieben zu sein.

Bei genauerem Hinsehen ticken aber auch in Mittelhessen die Uhren. Zum Großteil durch Einflüsse von außen. Die HBL und der DHB sorgen für ganz andere Rahmenbedingungen als vor einem Vierteljahrhundert. Es gibt natürlich Spielerverträge, der administrative Aufwand hat sich erhöht, und der Spielbetrieb der ersten Mannschaft ist seit 15 Jahren nicht mehr im Stammverein organisiert, sondern in eine GmbH ausgegliedert. Der Etat beläuft sich allerdings auf kaum konkurrenzfähige eine Millionen Euro.

Das Konstrukt versprüht provinzielle Idylle. Das Herz schlägt in der ortsansässigen Käserei. Lothar Weber, der Geschäftsführer dieses Betriebs und Bruder des früheren Hüttenberger Bundesliga-Spielers Hans-Georg Weber, ist zugleich der Manager der Handballer.  „Das vielzitierte kleine gallische Dorf ist wieder zurück im Konzert der Großen", sagt er mit Stolz. Trotzig hat man ein Plakat entworfen: Es zeigt das „gallische Dorf" Hüttenberg, belagert von 17 „römischen" Bundesliga-Legionen.

Dabei war es gar nicht selbstverständlich, dass die stärkste Liga der Welt tatsächlich die hessische Version von „Asterix" und „Obelix" besuchen würde. Die Sporthalle Hüttenberg, die schon zu Zweitliga-Zeiten aus allen Nähten platzte, überstand eine Besichtigung seitens der HBL nur mit einigen Auflagen. Es musste nachgerüstet werden. Die Kapazität sank aufgrund diverser Neuerungen auf 1450 Plätze. „Ein Dorfverein wie wir hat in der Bundesliga eigentlich keine Chance mehr", äußert sich Lothar Weber leicht resignierend.

Aber der vermeintlich krasse Außenseiter schlug sich besser als von den meisten Experten erwartet. Der Abstand zum rettenden Ufer beträgt zwar einige Punkte, theoretisch ist der Klassenerhalt aber noch möglich. Die Verantwortlichen planen dennoch schon seit Längerem für die Zweitklassigkeit und versuchen den Kader möglichst zusammenzuhalten. Das ist alles andere als einfach. Die häufig guten Leistungen haben Begehrlichkeiten bei anderen Klubs geweckt. Matthias Gerlich (Rhein-Neckar Löwen), Timm Schneider (TBV Lemgo) sowie Florian Billek und Milos Putera (beide HBW Balingen-Weilstetten) haben bereits einen neuen Verein gefunden. Trainer Jan Gorr wird zum VfL Gummersbach wechseln.