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Vranjes hat den neuen Meister gesehen

(sh:z; Hans-Werner Klünner) Die Anspannung der 60 Minuten zuvor war wie weggeblasen. Alfred Gislason war bester Laune. "Das ist ein schönes Gefühl", antwortete der Trainer des THW Kiel, angesprochen auf den komfortablen Vorsprung seiner "Zebras" in der Handball-Bundesliga. Hoch thront der Rekordmeister an der Spitze, scheint nach noch nicht einmal der Hälfte der Saison dem Rest der Liga bereits enteilt. Nach dem 32:27 (14:12) im Landesderby bei der SG Flensburg-Handewitt steht bei den Kielern hinten weiterhin die Null, die Füchse haben fünf "Miese" und Titelverteidiger HSV Hamburg nach dem 31:32-Ausrutscher in Nettelstedt bereits sechs auf seinem Konto. Wer kann diesen THW auf dem Weg zum 17. Meistertitel überhaupt ernsthaft gefährden?
Auch die SG Flensburg-Handewitt schaffte es am Mittwoch in der ausverkauften Campushalle nicht. Das Team von Ljubomir Vranjes kämpfte mit Leidenschaft und verdiente sich den Respekt des Landesrivalen. Zu einem Punktgewinn reichte es aber wieder nicht - wie schon seit vier Jahren. Im "ersten richtig interessanten Derby seit Jahren" (THW-Geschäftsführer Klaus Elwardt) "gegen die stärkste SG seit Jahren" (Gislason) gaben ein alles überragender Filip Jicha und leichte Fehler kräftemäßig abbauender Flensburger in der Schlussphase den Ausschlag für den Rekordmeister. "Sicher" hatte sich Gislason in diesem Derby nie gefühlt, nicht einmal angesichts einer 30:25-Führung nach 58 Minuten. Da hatte der Isländer eine Auszeit genommen, weil "ich nicht sicher war, ob wir noch irgendeinen Blödsinn machen". Machten seine Spieler nicht, schaukelten das Spiel locker nach Hause. Und der Trainer war "glücklich, gewonnen zu haben. Denn es war unwahrscheinlich schwierig heute."
Das war das Verdienst einer Flensburger Mannschaft, die seit dem Auftritt beim desaströsen 21:35 zum Saisonauftakt im September ein gutes Stück zum THW aufgeholt hat. "Diesmal können wir erhobenen Hauptes aus der Halle gehen", sagte Vranjes. "Kleinigkeiten haben das Spiel entschieden", meinte Spielmacher Thomas Mogensen. Die Flensburger hatten den THW mit ihrer offensiven Abwehr zunächst überrascht und mit 3:0 vorn gelegen. Doch der THW kam innerhalb von zwei Minuten zurück und lag danach ständig in Führung - mal knapp, mal mit drei Toren. Zwei Mal hatte die SG nach der Pause die Chance zum Ausgleich, beim 15:16 und 18:19. Doch der glückte nicht. "Vielleicht wäre das Spiel dann gekippt", meinte Vranjes.
Der Schwede war trotz der Niederlage mit dem Auftritt seiner dezimierten Mannschaft - die angeschlagenen Jacob Heinl und Petar Djordjic kamen nicht zum Einsatz - zufrieden. "Wir befinden uns noch in der Entwicklung und werden aus diesem Spiel viel Positives mitnehmen." Und gegen die "beste Mannschaft der Welt" nach großem Kampf zu verlieren, sei wahrlich keine Schande.
Am Sonntag (17.30 Uhr) wartet bereits der nächste "Kracher" auf den THW Kiel. Dann gastiert Titelverteidiger HSV Hamburg in der Sparkassen-Arena - für Per Carlén und seine Spieler wohl die letzte Chance, mit einem Sieg in der "Höhle des Löwen" zumindest vorübergehend wieder für künstliche Spannung im Titelkampf zu sorgen. Von einer Vorentscheidung im Meisterschaftsrennen will Alfred Gislason aber selbst bei einem Heimsieg nichts wissen. "Im Augenblick sieht die Tabelle sehr gut aus. Aber das kann sich schnell ändern", meinte der Isländer im Hinblick auf die anstehende EM im Januar in Serbien. "Ich weiß nicht, welche Mannschaft wir danach zur Verfügung haben."
SG-Trainer Ljubomir Vranjes ist dagegen überzeugt, am Mittwoch in Flensburg bereits den neuen Meister gesehen zu haben. "Ich sehe derzeit keine Mannschaft, die den THW schlagen kann, wenn er von Verletzungen verschont bleibt", begründete der 38-jährige Schwede seinen Standpunkt und erhielt Unterstützung von seinem Torhüter Mattias Andersson: "Wenn Kiel am Sonntag auch gegen Hamburg gewinnt, ist der THW durch."