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Überraschung oder nächste Schmach?

(sh:z; Jan Wrege) Extraschichten, um den Gegner zu studieren, musste Ljubomir Vranjes nicht einlegen. "Ich habe sowieso jedes Spiel des THW Kiel gesehen", sagte der Handball-Trainer der SG Flensburg-Handewitt gestern, bevor er zum Abschlusstraining für das 69. Landesderby (heute 20.15 Uhr, Campushalle) bat. Für den Schweden vertiefte sich bei der Beobachtung des Erzrivalen die nüchterne Erkenntnis: "Kiel ist eine Mannschaft, die momentan nur wenige andere in der Welt schlagen können."
Ob die SG dazugehört und erstmals seit vier Jahren den Nachbarn wieder bezwingen kann, ist trotz des Heimvorteils und trotz positiver Entwicklung in dieser Saison fraglich. Die Wettanbieter haben klar Stellung bezogen. THW-Werbepartner "bwin" zahlt bei einem Euro Einsatz auf einen Heimsieg stattliche fünf zurück, der SG-Sponsor "bet-at-home" ist nur einen Hauch optimistischer und bietet 4,60 als Quote an. Gewinnt wie allseits erwartet der Tabellenführer der Handball-Bundesliga, gibt es magere 1,25 Euro.
Gerade mal drei Monate ist es her, dass die SG in der Ostseehalle mit 21:35 die Rekordniederlage in der Derby-Historie einstecken musste. "Daran denkt bei uns keiner, das beschäftigt Fans und Presse viel mehr", sagt Linksaußen Anders Eggert. "Die Niederlage in Kiel war ärgerlich, aber wir spielen inzwischen viel besser zusammen. Wenn wir unser Top-Niveau erreichen, haben wir eine Chance." Sein Kollege auf dem anderen Flügel ist ebenfalls nicht bange. "Ich freue mich unglaublich auf das Derby. Es wird nicht einfach für den THW, hier zu gewinnen. Wir haben unser schnelles Spiel wiedergefunden", meint Lasse Svan Hansen.
Vranjes sieht den THW der Konkurrenz noch weiter enteilt als in den besten Jahren. "Gegenüber der letzten Saison hat Kiel Kim Andersson dazu bekommen, und wir haben gerade gegen Montpellier gesehen, wie wichtig er ist. Daniel Narcisse ist wieder voll dabei, Aaron Palmarsson hat sich weiterentwickelt", stellt der SG-Trainer fest. Er hofft auf einen außergewöhnlichen Tag, an dem "bei jedem unserer Spieler alles klappt. Wir müssen die ganze Zeit über den Kampf annehmen. Dann wird es ein gutes Spiel." Zumindest personell steht Vranjes besser da als im Hinspiel. Damals fehlten Viktor Szilagyi in der Rückraummitte sowie Jacob Heinl und Michael Knudsen im Abwehrzentrum sowie vorn am Kreis. Heute hat der SG-Coach den kompletten Kader am Start. Auch Torhüter Sören Rasmussen und der Halblinke Petar Djordjic konnten wieder trainieren.
Beim THW Kiel bewahrt man sich trotz einer beispiellosen Serie von 14 Siegen in 14 Spielen den Respekt. Immerhin ist die SG bislang lediglich auswärts vom HSV, den Füchsen Berlin und eben Kiel geschlagen worden. "Das wird ein heißes Duell. Jeder, der schon etwas länger im Norden spielt, fiebert dieser Begegnung entgegen", sagt THW-Kapitän Marcus Ahlm. Trainer Alfred Gislason warnt besonders vor Knudsen: "Er ist die Schlüsselfigur, er ist Weltklasse."
Der Rest der Liga hofft auf eine Überraschung, damit ein wenig Spannung wiederbelebt wird. Beim Titelverteidiger HSV Hamburg besteht aber offenbar wenig Hoffnung auf einen Ausrutscher der Kieler. "Ich glaube nicht, dass Flensburg gegen Kiel einen Punkt holen oder gar gewinnen kann", meint HSV-Trainer Per Carlén. Aber vielleicht sorgt ja gerade diese Einschätzung des Ex-SG-Trainers für einen Extraschub an Motivation.